Damit die Lebenskrise nicht zum Trauma wird

In der Bonner Uni-Frauenklinik ist eine Beratungsstelle für Pränataldiagnostik erfolgreich angelaufen

Bonn. Hoffentlich ist es gesund! Diese Sorge mischte sich schon immer in die Freude, wenn der Arzt die Schwangerschaft festgestellt hatte. Dank Ultraschalltechnik kann man heute von Anfang an die Entwicklung des Fötus im Mutterleib beobachten und Krankheiten oder Fehlbildungen feststellen.

Angesichts des gesellschaftlichen Drucks, nur ein "perfektes Kind" zur Welt bringen zu dürfen, geraten indes viele Frauen in die "Diagnosemühle" - insbesondere nach Feststellung eines Down-Syndroms (Mongolismus) beim ungeborenen Kind. Oft ist Abtreibung die Konsequenz; nachher fallen die betroffenen Frauen dann seelisch in ein tiefes Loch.

Professionelle Hilfsangebote werden bislang nur selten wahrgenommen. An der Universitätsfrauenklinik in Bonn soll das jetzt anders werden - mit einem Modellprojekt "Beratung bei Pränataldiagnostik". Die Anlaufphase begann vor sechs Monaten, jetzt war offizielle Eröffnung.

"Das hat uns gefehlt", sagte Professor Manfred Hansmann, einer der bedeutendsten Pioniere der Ultraschalldiagnostik, langjähriger Direktor des Bonner Zentrums und nunmehr seit wenigen Tagen im Ruhestand. Er betonte die medizinischen Fortschritte der Pränataldiagnostik: Früher hätten 50 von 1 000 Babys vor, während oder kurz nach der Geburt den Tod gefunden und auch 50 von 100 000 Müttern.

Seit Einführung der Ultraschalluntersuchung der Schwangeren in die Routineversorgung (1980) seien es noch noch fünf von 1 000 Kindern und zehn von 100 000 Müttern. Und immer mehr Kinder könnten bereits im Mutterleib therapiert werden.

An der Bonner Frauenklinik seien bereits mehr als 1 000 Kinder geboren worden, die ohne Pränataldiagnostik keine Chance gehabt hätten.

Auf der Gegenseite stehen die Schwangerschaftsabbrüche mit "medizinischer Indikation" - laut Hansmann jährlich rund 100. Zwei Drittel davon beträfen Kinder, die nicht lebensfähig wären, etwa, weil ihnen das Gehirn oder beide Lungen fehlen. Etwa zwölf Abtreibungen pro Jahr betreffen Kinder mit diagnostiziertem Down-Syndrom. Hier entschieden sich die Eltern zu 90 Prozent, das Kind wegen dieser geistigen Behinderung nicht auszutragen.

An solchen Fällen wird laut Hansmann das zentrale Dilemma der Pränatalmedizin deutlich, der es um beide gehe, um Mutter und Kind. Die Beratungsstelle erweise sich deshalb nicht nur für die betroffenen Eltern, sondern auch für Ärzte, Hebammen und Schwestern als "segensreiche Einrichtung".

Diesem Urteil schließt sich Professor Ulrich Gembruch an, der zum Monatsbeginn die Nachfolge Hansmanns angetreten hat.

Die Initiative kam von der Klinikseelsorge beider Konfessionen. "Betroffene mussten in Panik eine Entscheidung treffen - in dem Bewusstsein, dass diese so oder so nur eine Notlösung sein kann - und fühlten sich dabei allein gelassen", berichtet Pfarrerin Agnes Franchy-Kruppa.

Mit ihrem Amtskollegen Walter Koll trat sie deshalb an die Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte des Diakonischen Werkes und an Anke Rohde heran, Professorin für "Gynäkologische Psychosomatik". Projektgelder kommen jetzt vom Land, dem Diakonischen Werk im Rheinland und der Evangelischen Landeskirche. Beraterinnen sind die Diplom-Psychologinnen Kirsten Wassermann und Christine Kohler.

Die Entscheidung könnten sie den betroffenen Paaren zwar nicht abnehmen, sagt Claudia Mühl-Wingen, Leiterin der Schwangerschaftsberatung des Diakonischen Werks in der Kaiserstraße. Es gehe aber darum, "mit ihnen in einen Prozess zu gehen, in dem sie einen Weg finden, mit der Diagnose umzugehen, Verantwortung und Schuld anzunehmen und zu tragen, damit die Lebenskrise nicht zum Trauma wird".

Und die Erfahrungen der ersten Monate mit mehr als 100 Beratungen seien positiv: "Das Angebot wird so gut wie immer angenommen, und es hat sich herumgesprochen. Wir bekommen sogar Anfragen aus anderen Städten." Ziel sei, nach dem Bonner Modell ein flächendeckendes reguläres Beratungsangebot bei vorgeburtlicher Diagnostik zu schaffen. Deshalb wird die psychosoziale Beratung auch wissenschaftlich begleitet werden.

Die Beratungsstelle ist in der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin in Raum 230 untergebracht. Terminvergabe unter Telefon (02 28) 2 87 50 82, telefonische Sprechzeit ist dienstags und donnerstags von 9 bis 9.30 Uhr unter Ruf (02 28) 2 87 96 34.

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