"Dämliche Beschwerden"

Das frisch gewählte Bonner Studierendenparlament befasste sich ganz am Rande auch mit der niedrigsten Wahlbeteiligung aller Zeiten

Bonn. So richtig glücklich war die Wahlleiterin Sabine Paul bei der konstituierenden Sitzung des Studierendenparlaments (SP) nicht. Als "dämlich und unbegründet" kritisierte sie beispielsweise die Beschwerden, mit denen der Wahlausschuss überhäuft worden sei. Das Leben haben ihr auch Stimmenauszähler erschwert, die einfach nicht erschienen sind.

Doch das eigentliche Problem liegt woanders: Noch nie wählten so wenige Studierende ihr Parlament wie in diesem Jahr. Wie reagieren die Abgeordneten im Studierendenparlament? Sie nehmen die parlamentarische Arbeit auf, hoffen auf einen zugkräftigen AStA und streifen die deprimierend niedrige Wahlbeteiligung von 14,36 Prozent allenfalls am Rande.

Ganz vom Tisch zu wischen ist die niedrige Wahlbeteiligung nicht. Im SP kursiert die Idee, die Wahlen künftig auf den Frühsommer zu verlegen, um damit die von den Semesterferien unterbrochenen Koalitionsverhandlungen für den AStA zu verkürzen. "Das ist kein schlechter Vorschlag. Wir sollten das im Auge behalten", meinte Sabine Paul diplomatisch. Für die Verschiebung des Wahltermins wären eine Änderung der Wahlordnung, der Satzung und eine Zwei-Drittel-Mehrheit im SP erforderlich. Nur blieb während der Sitzung unklar, wie konkret dieser Vorschlag ist, und welche Abgeordneten damit sympathisieren.

Die Aufregung des Wahlkampfs hatte sich gelegt, nach der Schlammschlacht war der Ton wieder moderat und versöhnlich. "Es war keine schöne Wahl, aber eine schöne Wahlparty", resümierte Sonja Brachmann von der Grünen Hochschulgruppe (GHG).

Und in der Sitzung des SP war "business as usual" zu beobachten: Oliver Salten (RCDS) und Oliver Klee (Grüne Hochschulgruppe) wurden zu SP-Sprechern gewählt. Trotz aller Formalien ging es bei der ersten Sitzung des SP nicht bierernst zu: Ein "Königwahlausschuss" war das Objekt der Begierde der auf Klamauk bedachten Subversiven Hochschulgruppe. Das Ziel: eine Monarchie im SP unter einem König "von Gottes Gnaden". Freilich stimmten die meisten Abgeordneten dagegen.

Ein heiß diskutiertes Thema für das oberste beschlussfassende Organ waren - Nichtraucherzonen. Fast eine halbe Stunde lang ging die Debatte darüber, ob während der Sitzung "bis zur ersten Säule" oder "bis zum Fenster" der Nasse-Mensa die Glimmstengel kalt bleiben sollten. Dabei zogen die Abgeordneten alle Register des parlamentarischen Regelwerks mit Anträgen und Gegenanträgen - ganz so als ob sie für die Karriere als Berufspolitiker üben wollten. Worauf gegen 21 Uhr das Interesse an den Geschäftsordnungstricks erlahmte, ein zunehmendes Raunen in den Reihen der Abgeordneten auf dem Podium und der etwa 25 Studierenden im Publikum ließ auf Langeweile oder akute Nikotindefizite schließen.

Bei der Besetzung der Ausschüsse kam es zu Scharmützeln - ganz so wie man das von der "großen" Politik kennt. Neben mehreren Fachausschüssen setzte das SP noch zwei Untersuchungsausschüsse ein. Der eine soll überprüfen, ob die mit AStA-Mitteln angeschafften Sportgeräte tatsächlich vorhanden sind. Ein anderer Untersuchungsausschuss soll sich - wie bereits in der vergangenen Legislaturperiode - mit der Zeitung "Akut", dem offiziellen Bekanntmachungsorgan der Studierendenschaft, beschäftigen. Konkret: mit finanziellen Verlusten und angeblichen inhaltlichen Unausgewogenheiten des Blattes.

Einen Denkzettel bekam dabei Markus Büchel (RCDS), bisher Vorsitzender des Ausschusses, verpasst. Er wurde als einziger nicht mehr in den "Akut"-Ausschuss gewählt. "Der Untersuchungsausschuss wurde für seine Arbeit gerügt", begründete Sonja Brachmann (GHG) einen Antrag der Grünen. Der Vorsitzende müsse dafür die Verantwortung übernehmen. Der Ausschuss habe keinen Abschlussbericht vorgelegt, das letzte Protokoll stamme von Anfang Juli. Als "befremdlich" bezeichnete Malte Cordes (RCDS), dass "engagierte Studenten von der Arbeit in Ausschüssen" abgehalten werden.

Cordes nahm nochmals die AStA-Zeitschrift "Basta" ins Visier, die am 23. Januar auf Antrag des RCDS nicht erscheinen durfte - "weil zu einseitig". Cordes wollte nun wissen, ob die verantwortlichen AStA-Referenten für die Kosten aufkommen müssten. "Die Referenten haben unverschuldet gehandelt und sollen deswegen nicht zahlen", meinte AStA-Vorsitzende Liv Niephaus dazu.

Mit Spannung wird nun das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zur AStA-Wahl erwartet. Denn dann beginnt die eigentliche Regierungsarbeit: ein Bildungskongress zu den Themen BAföG und Studiengebühren, die Lehramtsstudiengänge, deren Existenz gefährdet ist. Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) will wegen der Ökosteuer rund acht Prozent mehr für das Studi-Ticket haben. Derzeit laufen die Verhandlungen zwischen AStA und VRS. "Rund 60 Prozent des Verkehrsverbunds sind Personalkosten. Die Ökosteuer rechtfertigt die Erhöhung nicht", kritisiert der Beauftragte für Studentische Mobilität, Jörg Künzel.

Um Mitternacht gingen die Nachwuchspolitiker schließlich mehr oder weniger ermattet nach Hause.

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