Bonner Wissenschaftler schreiben Anfänge des Lebens

Es ist eine der großen ungeklärten Fragen unserer Zeit: Wie entstanden vor rund 3,8 Milliarden Jahren aus einem Dutzend chemischer Elemente die ersten lebenden Zellen? In einem Buch fassen Bonner Wissenschaftler den Stand der bisherigen Forschung zusammen.

Bonner Wissenschaftler schreiben Anfänge des Lebens
Foto: pa/ zb

Bonn. (sj) Es ist eine der großen ungeklärten Fragen unserer Zeit: Wie entstanden vor rund 3,8 Milliarden Jahren aus einem Dutzend chemischer Elemente die ersten lebenden Zellen? Hatte dabei ein geheimnisvoller "intelligenter Designer" seine Hand im Spiel?

Zellbiologen, Physiker, Mathematiker, Philosophen und Theologen der Universität Bonn haben nun ein neues Buch zu dieser Frage vorgelegt. In "Lebensentstehung und künstliches Leben. Naturwissenschaftliche, philosophische und theologische Aspekte der Zellevolution" erteilen sie dem "Intelligent Design" als Konkurrenz zur Evolutionstheorie eine klare Absage. Sie zeigen aber auch, dass unser Bild von den Anfängen des Lebens noch sehr unvollständig ist.

Wie lange müsste wohl ein Kleinkind auf der Computertastatur herumhämmern, um zufällig die Adresse des Hauptgebäudes der Uni Bonn - Regina-Pacis-Weg 3 - zu Papier zu bringen? Man kann leicht ausrechnen, dass dazu selbst Milliarden von Jahren nicht einmal in Ansätzen reichen würden. Noch unwahrscheinlicher ist es laut Autoren, dass in den 4,6 Milliarden Jahren seit der Entstehung der Erde auch nur eine einzige Aminosäure per Zufall entstehen konnte - geschweige denn ein so komplexes Molekül wie das Hämoglobin, eine Zelle oder gar ein ganzer Organismus.

Auf diesem Argument fußt das Gedankengebäude des "Intelligent Design", das gerade in den USA enorm populär ist: Das Leben sei zu komplex, als dass es ohne lenkenden Eingriff einer intelligenten Macht hätte entstehen können. Doch dieses Argument finden die Autoren wenig stichhaltig. Denn chemische Reaktionen gehorchten Regeln. "In atomaren und molekularen Strukturen stecken Informationen, die das rein Zufällige der Entstehung einschränken", erklärt der Herausgeber Professor Volker Herzog.

Es ist, als würde das Kind nicht auf der Computertastatur, sondern auf dem Bedienfeld eines Navigationsgerätes herumklimpern: Dort sind nur Eingaben erlaubt, die zu existierenden Adressen führen können. Auch wer gar nicht schreiben kann, kann mit so einem Gerät also nur korrekte Straßennamen produzieren. Dass dabei zufällig der Regina-Pacis-Weg entsteht, ist dann plötzlich gar nicht mehr so unwahrscheinlich.

Die Komplexität des Lebendigen spricht demnach also nicht unbedingt dafür, dass ein Schöpfer seine Hand im Spiel hatte. Als Beweis, dass es keinen Gott gibt, taugt dies aber nicht. "Man kann Gottes Handeln in der Natur nicht durch naturwissenschaftliche For-schung beweisen. Gott ist kein Kausalfaktor, den man in mathematisch-physikalischen Formeln beschreiben kann", meint der Theologe Ulrich Eibach.

Wolfgang Alt, Ulrich Eibach, Volker Herzog, Stephan Schleim, Gunter Schütz: Lebensentstehung und künstliches Leben. Naturwissenschaftliche, philosophische und theologische Aspekte der Zellevolution. 410 Seiten, Die Graue Edition, 29 Euro.

Das Experiment Bereits 1953 hat der amerikanische Chemiker Stanley Miller versucht, der Frage nach der Entstehung des Lebens experimentell auf den Grund zu gehen. Mit einer einfachen Apparatur stellte er die Bedingungen nach, die vor dreieinhalb Milliarden Jahre auf der Erde geherrscht haben könnten. Dabei gelang es ihm, aus einer Handvoll anorganischer Zutaten unter anderem einige Aminosäuren herzustellen - die Bausteine der Proteine. Seine Entdeckung war eine wissenschaftliche Sensation. Der gerade mal 23-jährige Miller legte damit den Grundstein zu einer völlig neuen Wissenschaftsdisziplin, der synthetischen Biologie.

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