Bonner Studierendenparlament: Wahlbeteiligung niedrig wie nie

Sportliste, Juso und Grüne Hochschulgruppe gewinnen Sitze hinzu, RCDSverliert drei - Die meisten Einzelstimmen für AStA-Chefin Liv Niephaus

Bonner Studierendenparlament: Wahlbeteiligung niedrig wie nie
Foto: Franz Fischer

Bonn. Verloren haben bei den Wahlen zum 23. Bonner Studierendenparlament (SP) alle Bewerber. Denn die Wahlbeteiligung sank auf den Rekord-Tiefstand von 14,1 Prozent. "Das ist ein Alarmsignal für alle Gruppierungen", räumt die amtierende AStA-Chefin Liv Niephaus ein, die für die Grüne Hochschulgruppe mit 110 Stimmen die meisten Kreuzchen bekam.

Wo liegen die Gründe für den Wahlboykott? "Die Studierenden hören fast ein Jahr kaum etwas von uns. Und dann werden sie mit einem eher unappetitlichen Wahlkampf abgeschreckt", sagt Ambra Marx, Vorsitzende der Juso-Hochschulgruppe. Marx hat mit 108 Stimmen das zweitbeste Einzelergebnis.

Eine regelrechte Schlammschlacht lieferten sich die Gruppierungen, die den AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) tragen, und der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). Dabei wurde dem Aufruf des RCDS "Jagd auf roten AStA" die Parole "Gebt eure Stimme gegen Rechts ab" entgegengesetzt. Der RCDS erreichte beim Wahlausschuss, dass die wöchentlich erscheinende AStA-Zeitschrift "Basta" vom 23. Januar nicht verteilt werden durfte. Als besonders aktiv in der Kampagne gegen vermeintlich rechtsextremistische Mitglieder des RCDS erwies sich die Juso-Hochschulgruppe. Ihre Ausbeute: zwei hinzugewonnene Sitze.

Doch der RCDS hat im Bonner Wahlkampf auch unsachlich zurückgeschossen, etwa indem behauptet wurde, linke Gruppierungen befürworteten Gewalt, um ihre Interessen durchzusetzen. Er gab Anlass zum Misstrauen durch die "Heil-Dir-Affäre" und die innerparteilichen Querelen. Mit dem Bemühen, den RCDS in die rechte Ecke zu stellen, erklärt Landesvorsitzender Markus Büchel die Stimmenverluste, die die Hochschulgruppe zur Zeit überall hinnehmen müsse (etwa auch an der Uni Köln): "Die Kampagnen gegen rechte Gewalt haben dem RCDS geschadet."

Das Bonner Wahlergebnis legt jedenfalls den Schluss nahe, dass das Thema Rechtsextremismus entscheidend war: Der RCDS, seit Jahren die stärkste Gruppe im SP, ist - laut Cordes war gerade im Juridicum, sonst eine sichere Bank des RCDS, die Wahlbeteiligung gering - klar abgestraft worden: Gegenüber dem Vorjahr büßte er gleich drei Sitze ein und hat jetzt mit 13 nur noch einen mehr als die Grüne Hochschulgruppe (GHG), die ihrerseits ihr Ergebnis um einen Sitz verbessern konnte. Liv Niephaus vermutet, dass der erneute Rückgang der Wahlbeteiligung auch mit dem RCDS zu tun hat: "Die beiden Sitze gingen an Nichtwähler verloren. Der RCDS hat es aufgrund interner Querelen diesmal nicht wie gewohnt geschafft, seine Wähler zu mobilisieren." "Uns hat wahrscheinlich auch eine Unterschriften-Aktion für den Erhalt der Lehramtsstudiengänge in Bonn geholfen", glaubt Ambra Marx von der Juso-Hochschulgruppe.

Für Liv Niephaus war der Einbruch des RCDS "in diesem Umfang unerwartet". Sie habe mit dem Verlust eines Sitzes gerechnet, zwei für möglich gehalten. Jetzt hofft sie, endlich zu sachlicher, konstruktiver Arbeit zurückzukehren. Da sie zur Zeit mit einem Minderheiten-AStA regiert, das aus ihrer Sicht positive Wahlergebnis aber eine breitere Basis schafft, ist ihr daran gelegen, dass der neue AStA bald gewählt wird und nicht erst im Sommersemester. Sie selbst steht als neue AStA-Chefin nicht mehr zur Verfügung, will aber den neuen einarbeiten. Aber sie hat noch vieles vor: Gegen "viele Missstände im AStA" hat sie ein neues Konzept entworfen. "Manche lassen sich ihre Aktivitäten aus der AStA-Kasse bezahlen", Kommunikationsmöglichkeiten werden nicht genutzt, kritisiert Niephaus. Dadurch herrsche zuwenig Transparenz.

Und die Zusammensetzung des neuen AStA hänge nun ganz davon ab, wie sich die einzelnen Gruppierungen zu diesen Plänen verhielten. Grundsätzlich sieht sie da drei Alternativen: Die erste wäre eine Fortschreibung der Koalition mit Sportliste und den linken Gruppierungen, als zweite Möglichkeit käme ein AStA mit dem RCDS und der Ausländer-Liste in Frage. Sie setzt dabei darauf, dass sich im RCDS jetzt die jungen Kräfte durchsetzen und zusammen für eine vernünftige Politik eintreten. Die dritte Möglichkeit schließlich wäre ein Bündnis der Mitte mit der LHG und den Jusos. Liv Niephaus: "Wir werden mit allen reden. Allerdings legt die Sitzverteilung im neuen SP eine neu zusammengesetzte Koalition nahe." Der designierte AStA-Chef ist indes schon ausgeguckt: Es handelt sich um Liv Niephaus'''' Fraktionskollegen Stefan Sonneberger, Physikstudent im elften Semester, der bislang im AStA für den Studentischen Hilfsfonds und für die Computerberatung zuständig war.

Das neue SP wird sich am Donnerstag, 1. Februar, um 20 Uhr in öffentlicher Sitzung in der Nasse-Mensa konstituieren.

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