Bonner Forscher ist Phänomen auf der Spur

Ob Freiflüge, Bonbons oder große Eier: Viele Tier-Männchen bringen ihrer Angebeteten zur Paarung Präsent mit

Bonn. Wie zeigt Mann, dass man sich traut? Es gibt viele Arten: Im Rheinland setzen Junggesellen Maibäume als Zeichen des "Freiens", manche Paare tauschen am Fallschirm hängend oder blubbernd unterwasser das Ehegelöbnis aus. Der Kronprinz von Japan scheute bei seiner Vermählung weder Kosten noch Mühen und hüllte sich in 30 Pfund schwere Seidenroben. Das Ja-Wort beschleunigen können aber auch Brautgeschenke. In einigen arabischen Ländern sind sie mittlerweile so opulent, dass sich viele keine Heirat mehr leisten können. In einer grotesken Inszenierung von Smetanas "Verkaufter Braut" musste dagegen ein schlichtes Bügelbrett als Brautgeschenk herhalten.

Der Mensch treibt es bunt, wenn es ans Heiraten geht - und wird dabei nur noch vom Tierreich übertroffen. "Rund fünf bis zehn Prozent aller Insekten machen Hochzeitsgeschenke", schätzt Privatdozent Klaus Reinhold vom Institut für Evolutionsbiologie und Ökologie der Universität Bonn. Seit mehr als zehn Jahren - davon rund sieben in Griechenland - spürt er vor allem Laubheuschrecken hinterher, beobachtet deren Paarungsverhalten und versucht, die Gründe dieses sehr menschlich anmutenden Verhaltens durch Experimente herauszufinden.

Den im milden Klima Griechenlands häufig anzutreffenden und wenig scheuen Laubheuschrecken (Poecilimon veluchianus) widmete Reinhold für seine Untersuchungen sein besonderes Augenmerk. Die Schreckenmännchen lassen während der Paarung ihre Gefährtin von einer Götterspeise ähnlichen Spermatophore naschen. Auch bestimmte Mückenhafte verleiten ihre Partnerinnen durch ein "Bonbon" aus einem Speicheldrüsensekret zu längerer und ausgiebigerer Kopulation. "Bei vielen Tierarten wählen die Weibchen bevorzugt diejenigen Männchen als Paarungspartner, die mit besonders auffälligen und daher kostspieligen Verhaltensweisen um die Weibchen werben", berichtet der Evolutionsbiologe.

Brautgeschenke für die Angebeteten machen nicht nur die Männchen der Gottesanbeterinnen. Von denen wird immer wieder berichtet, dass sich der "Freier" selbst als Geschenk präsentiert und von den Weibchen schlicht verspeist wird. "Vermutlich sind das nur Unfälle. Aber die Männchen müssen die Gefahr eingehen, wenn sie sich fortpflanzen wollen", sagt Reinhold.

Rollwespen spendieren ihren "Liebsten" sogar einen Freiflug, um sich zu paaren. Weil die Weibchen keine Flügel haben, werden sie von den flugtauglichen Männchen auf einen Hochzeitsflug mitgenommen. Die Freier bringen ihre Partnerin dann von Blüte zu Blüte und lassen sie vom Nektar fressen. Den Ausflug nutzen die Männchen wiederum für ihre Fortpflanzung.

Auch bei bestimmten Schwalbenarten lässt sich "sie" gerne von "ihm" mit einem Geschenk - bevorzugt Nahrung - verwöhnen. "Sind die Brautgeschenke großzügig, dann legt das Schwalbenweibchen viele und große Eier", erzählt der Biologe. "Die Weibchen testen damit offenbar die Fähigkeit des Männchens, Futter für den Nachwuchs heran zu schaffen." Auch in Liebesdingen wirken also die Gesetze der Evolution: Nur der Fitte und Fleißige kann sich vermehrt fortpflanzen.

Es geht noch doller: Manche Spinnenmännchen lassen sich während der Paarung teilweise von der Partnerin auffressen. "Weil das Weibchen beschäftigt ist, können die Männchen länger kopulieren", begründet Reinhold dieses selbstmörderische Verhalten. Aus menschlicher Sicht betrachtet deutlich cleverer verhalten sich da schon die Tanzfliegen: "Tanzfliegen versuchen ihre Partnerinnen mit einem Paket aus feinem Gespinst hinzuhalten - allerdings ist das Brautgeschenk leer."

Warum sich viele Tierarten Hochzeitsgeschenke machen, sei eine seit vielen Jahren intensiv bearbeitete, aber noch nicht geklärte Frage, erläutert der Evolutionsbiologe. Um die Ursachen zu erforschen, experimentiert er mit den Laubheuschrecken. Dahinter steckt die Frage, warum die Männchen diesen Aufwand treiben. Der Größe des Brautgeschenkes scheint dabei eine herausragende Bedeutung zu zu kommen: "Sind die Spermatophoren der Männchen zu groß, müssen sie zuviel investieren. Sind sie aber zu klein, erhalten die Männchen keine Chance, sich fort zu pflanzen." Drei gute Gründe kommen für den Biologen für die unter Tieren verbreitete Tradition des Schenkens in Frage. Die Männchen können ihren Paarungserfolg verbessern, weil die Brautgeschenke ihre Attraktivität erhöhen, die Kopulationsdauer verlängern und sogar die Fruchtbarkeit des Weibchens und die Nährstoffversorgung der Nachkommen steigern.

Reinhold fand plausible experimentelle Belege, dass die Laubheuschreckenväter mit den Geschenken in ihre Nachkommenschaft investieren, also so etwas wie Alimente zahlen. "Das Trockengewicht der Nachkommen der Weibchen, die von den Spermatophoren gefressen hatten, waren rund sieben Prozent schwerer, als die Abkömmlinge derjenigen, die nicht naschen durften." Denn mit dem Gewicht der Nachkommen steigt auch ihre Überlebenschance.

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