Bonner Bundesamt prüft Gentechnik-Anträge

Behörde erstellt neuerdings Risikogutachten für erbgutmanipulierte Freilandkulturen

Bonner Bundesamt prüft Gentechnik-Anträge
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Bonn. Ob Zuckerrübe, Raps, Mais oder Kartoffel - Forscher suchen nach Wegen, mithilfe der Gentechnik Schädlinge von Feldfrüchten fernzuhalten. Im Labor basteln sie fremdes Erbgut in diese Pflanzen ein und machen sie damit widerstandsfähiger. Ob sie auf Feldern angebaut oder auf dem Markt angeboten werden dürfen, entscheidet neuerdings das Bonner Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit. Seit kurzem hat die Bad Godesberger Behörde die Zuständigkeit für Anträge zur "grünen Gentechnik" vom Umweltbundesamt in Berlin übernommen.

"Diese Aufgabe ist deshalb so wesentlich, weil es dabei um Auswirkungen auf den Naturhaushalt geht", machte BfN-Präsident Hartmut Vogtmann deutlich. Was Nahrungsketten, Ausbreitung von Organismen und biologische Vielfalt angeht, liegt die Kernkompetenz nunmal seit vielen Jahren bei den Wissenschaftlern in Godesberg.

Viele gentechnischen Entwicklungen sind mittlerweile über das Laborstadium hinaus gediehen und sollen deshalb im Freiland getestet werden. Dabei gibt es etliche Risiken, die die Behörde nun abschätzen und bewerten soll.

Schädigt genveränderter Mais Schmetterlingspopulationen? Welche Auswirkungen hat der Anbau herbizidresistenter Pflanzen auf die Vielfalt der Ackerbegleitkräuter am Feldrand? Sind Naturschutzgebiete besonders gefährdet? "Diese und ähnliche Fragen wird das BfN in Zukunft im Rahmen von Genehmigungsanträgen zu prüfen haben", sagte Vogtmann.

So könnte sich das veränderte Erbgut mit dem Pollen auf benachbarte Felder übertragen und dadurch neuartige Pflanzen schaffen. Bei nah verwandten Arten ist dies durchaus denkbar.

Wissenschaftler befürchten dadurch unerwünschte Wirkungen auf Insekten, Kleintiere oder Bodenlebewesen, die diese Pflanzen fressen. Auch könnten diese Kulturen plötzlich viel konkurrenzfähiger werden und andere Arten verdrängen. Veränderungen der Inhaltsstoffe benachbarter Feldfrüchte und damit der Lebensmittelqualität halten Kritiker darüber hinaus für durchaus möglich.

Als Vorkehrung beim experimentellen Anbau von genveränderten Pflanzen sollen die Versuchsflächen deshalb bis zu zehn Jahre intensiv beobachtet und auf mögliche unerwünschte Auswirkungen hin untersucht werden. "Monitoring" nennen das die Fachleute.

"Unser Wunsch ist: Wenn etwas schiefläuft, sofort zu handeln, um Schäden zu minimieren", machte Vogtmann deutlich.

Die Front der Gentechnikgegner in Deutschland ist nach wie vor groß. Die beantragten Anbauexperimente mit genveränderten Pflanzen haben in Deutschland in den vergangenen Jahren stark zugenommen: Waren es 1993 nur vier Anträge wuchs die Zahl Ende der 90er Jahre auf mehrere hundert - im Jahr 2003 waren es exakt 307.

In Sachen Risikobewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen im Freiland gibt es beim BfN also viel zu tun. Ein Teil der Mitarbeiter des Umweltbundesamtes sei in in das im BfN neu eingerichtete Kompetenzzentrum Gentechnik übernommen worden, zusätzlich habe es Neueinstellungen gegeben, erläuterte Vogtmann.

Erklärtes Ziel der Brüsseler und Berliner Politik ist die so genannte Koexistenz in der Landwirtschaft - darunter ist das möglichst konfliktfreie Nebeneinander von Gensorten nutzenden einerseits sowie konventionell und biologisch wirtschaftenden Landwirten andererseits gemeint.

Das lässt sich jedoch nur verwirklichen, wenn eine unerwünschte Ausbreitung der erbgutveränderten Pflanzen weitgehend ausgeschlossen ist - beispielsweise durch Mindestabstände zwischen einer Gen-Fläche und den Kulturen eines Biolandwirts.

"Rapspollen kann in Einzelfällen jedoch über 26 Kilometer weit getragen werden", machte Vogtmann die Schwierigkeiten deutlich.

Nicht nur Pollen überwindet große Distanzen: Bei Hochwässern seien Kartoffeln bis zu 70 Kilometer flussabwärts gefunden worden, erläuterte der BfN-Präsident. "Regelungen zur guten landwirtschaftliche Praxis und zur Haftung sind deshalb ganz wichtig." Bestimmte "ökologische Leitplanken" dürften beim Anbau von genveränderten Pflanzen nicht verlassen werden. "Für uns zählt in erster Linie das Vorsorgeprinzip", machte Vogtmann deutlich. "Wenn bestimmte Fragen wissenschaftlich nicht zu klären sind, dann sollte man das lieber nicht machen."

Weitere Infos unter www.bfn.de

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