Protest gegen Stuttgart 21 Bonner Akademie untersucht Großprojekte

BONN · Für Frank Brettschneider steht fest: Der Protest gegen Großprojekte wie Stuttgart 21 habe nicht nur mit klar fassbaren Gründen wie hohen Kosten, Risiken für die Umwelt oder mangelnder Transparenz seitens der Verantwortlichen zu tun.

Mehrere tausend Menschen demonstrieren in der baden-württembergischen Hauptstadt Stuttgart gegen das milliardenschwere Bahnhofs-Bauprojekt Stuttgart 21.

Mehrere tausend Menschen demonstrieren in der baden-württembergischen Hauptstadt Stuttgart gegen das milliardenschwere Bahnhofs-Bauprojekt Stuttgart 21.

Foto: dpa

Es gebe auch "verborgene Gründe", sagt der Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim. Sein Beispiel: "Wenn eine Frau sagt, im Schlossgarten hab ich vor 60 Jahren meinen Liebsten zum ersten Mal geküsst, und jetzt soll sie verstehen, dass die Bäume dort weg sollen." Das sei sehr schwierig.

Ein Jahr lang will sich die Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP) in Veranstaltungen mit Großprojekten beschäftigen. "Wir wollen zum Beispiel wissen, wie diese akzeptiert werden können", sagte Projektleiter Hans Jörg Hennecke, Politikwissenschaftler an der Uni Rostock, gestern bei der Auftaktveranstaltung zum Forschungsprojekt. Zudem gehe es um Planungsrecht und Planungsverfahren, die Frage, wie Unternehmen mit großen Vorhaben umgehen und wie sich die Politik verhält.

Der Bonner Politikwissenschaftler und Co-Projektleiter Volker Kronenberg betonte, dass BAPP-Projekte immer einen Praxisbezug hätten. Daher sollten anhand des geplanten Pumpspeicherwerks am Rursee in der Eifel Anspruch, Wirklichkeit und das Interessengeflecht untersucht werden. In einer Bauzeit von sechs Jahren soll dort das viertgrößte Pumpspeicherwerk Deutschlands entstehen und die Energiewende unterstützen. Dass die deutsche Industrie die Energiewende will, hob der Stahlmanager und frühere RWE-Chef Jürgen Großmann hervor. Doch er äußerte auch die Sorge, dass die Unternehmen "überstrapaziert" werden könnten und die Akzeptanz in der Bevölkerung nachlasse, wenn die Kosten in die Höhe getrieben würden.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula Heinen-Esser, berichtete, dass es in ihrem Haus inzwischen eine Unterabteilung Bürgerbeteiligung gebe. Doch wenn es etwa darum gehe, einen Endlagerstandort für den Atommüll in Deutschland zu suchen und zum Beispiel die Wahner Heide dafür ausgesucht würde, dann sei es schwierig, eine Bürgerbeteiligung zu organisieren, denn dann werde es sehr schnell große Bürgerinitiativen in Köln und Bonn dagegen geben. Bei einem solchen Protest würde es vermutlich auch wieder um klar fassbare sowie um verborgene Gründe gehen.

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