Übersetzung der Akten des Konzils von Ephesus Blick hinter die Kulissen eines Kirchenkonflikts

BONN · In der Spätantike stritten verschiedene Glaubensrichtungen innerhalb der Kirche über die Frage, ob Jesu Mutter Maria zugleich auch "Gottesgebärerin" sei.

Wolfram Kinzig (rechts) und Thomas Brüggemann inmitten der Bände mit den Konzilsakten, die sie übersetzen werden.

Wolfram Kinzig (rechts) und Thomas Brüggemann inmitten der Bände mit den Konzilsakten, die sie übersetzen werden.

Foto: Uni Bonn

Das Konzil von Ephesus im Jahr 431 sollte den Konflikt lösen, doch stattdessen eskalierte er auf der Kirchenversammlung. Evangelische Theologen und Klassische Philologen der Universität Bonn wollen die Protokolle dieses Konzils nun erstmals vollständig übersetzen und kommentieren, um tiefe Einblicke hinter die Kulissen dieses Kirchenstreits zu ermöglichen.

Wenn es um grundsätzliche Glaubensfragen ging, trafen sich Vertreter der verschiedenen christlichen Lehrrichtungen auf einem Konzil und versuchten, zu einer allgemeingültigen Einigung zu kommen. Im ersten Jahrtausend fanden sieben solcher Bischofsversammlungen der gesamten Kirche statt, die man später als Ökumenische Konzilien bezeichnete - die erste in Nizäa im Jahr 325, die zweite 381 in Konstantinopel.

"Von diesen beiden sind keine Protokolle überliefert, deshalb hat das dritte Konzil, das 431 in Ephesus abgehalten wurde, eine so große Bedeutung für die Kirchengeschichtsforschung", sagt Professor Wolfram Kinzig vom Evangelisch-Theologischen Seminar der Uni Bonn. "Die Protokolle geben erstmals einen Einblick, wie auf den Konzilien in der Spätantike verhandelt wurde und was die Menschen in Glaubensfragen damals tief bewegt hat."

Der Verhandlung von Hunderten Geistlichen war ein Streit zwischen verschiedenen theologischen Schulen über die Frage vorausgegangen, wer Jesus Christus sei. Nestorius, der Patriarch von Konstantinopel, versuchte zwischen ihnen zu vermitteln und vertrat dabei die Auffassung, Maria habe weder einen bloßen Menschen noch einen Gott geboren, weshalb er die Formulierung "Christusgebärerin" bevorzugte.

Der Patriarch von Alexandria, Kyrill, war hingegen überzeugt, dass die Jesus-Mutter in erster Linie einen Gott zur Welt gebracht habe und deshalb als "Gottesgebärerin" bezeichnet werden könne. Beide wandten sich an den oströmischen Kaiser Theodosius II., der zur Klärung der Streitfrage ein reichsweites Konzil nach Ephesus einberief. Die Versammlung führte jedoch nicht zum erwünschten Ziel, sondern zu einer Eskalation des Streites.

Schließlich ließ Theodosius II. die beiden Streithähne Nestorius und Kyrill ihrer Ämter entheben und ins Gefängnis werfen. Jahre später gelang doch noch eine Einigung: Die dann allgemeingültige Kirchenformel besagte, dass Jesus zugleich ein vollkommener Gott und ein vollkommener Mensch mit Seele und Leidensvermögen sei.

Kinzig will nun die Unterlagen zu Ephesus mit einem Team erstmals vollständig übersetzen und kommentieren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt in den nächsten zehn Jahren mit rund 1,6 Millionen Euro. Unter der Leitung des Gräzisten Doktor Thomas Brüggemann sollen Wissenschaftler die Protokolle des Konzils von Ephesus systematisch in deutscher Sprache zugänglich machen. Das Projekt erfordert einen langen Atem: Rund 1800 Seiten an griechischen und lateinischen Akten liegen vor.

Da die Unterlagen auf verschiedene Sammlungen verstreut sind, ist es bislang nicht gelungen, alle Dokumente chronologisch und in einem nachvollziehbaren Zusammenhang zu erfassen. Das Bild vom Konzil von Ephesus blieb deshalb bislang verschwommen. "Die geplante Ausgabe soll an Umfang und Informationsgehalt über bisher erschienene, vergleichbare Werke weit hinausgehen", sagt Kinzig.

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