Auf den Spuren einer Legende

Der Bonner Politologe Frank Decker besitzt eine der weltweit größten Sammlungen von Johnny-Cash-Aufnahmen - Fast 3000 Schallplatten und CDs hat er innerhalb von 30 Jahren zusammengetragen

  And it burns, burns, burns:  Für die Musik Johnny Cashs entflammt ist Professor Jürgen Decker seit seiner Jugend.

And it burns, burns, burns: Für die Musik Johnny Cashs entflammt ist Professor Jürgen Decker seit seiner Jugend.

Foto: Frommann

Bonn. Fast 3000 Schallplatten und CDs, über 300 Konzertplakate, zahlreiche Bücher und unzählige Fotos drängen sich dicht an dicht in einem langen Wandregal: Frank Decker (39), Professor für Politische Wissenschaft an der Uni Bonn, besitzt die vielleicht größte Johnny-Cash-Sammlung der Welt. In seinem mittlerweile 30-jährigen Dasein als Fan hat Decker aus aller Welt von Cash zusammengetragen, was er in die Hände bekam.

Im Alter von neun Jahren entdeckte der Politikwissenschaftler bei seiner Schwester eine Zusammenstellung von Cashs Hits, die sein Interesse an dem Country-Star weckten. Diese Schallplatte hat er natürlich immer noch.

"Ich wollte schon damals alle Platten von Cash haben, aber bei einer Zahl von damals schon 45 regulären Alben war das für einen Schüler mit wenig Geld ziemlich aussichtslos." Dennoch ließ er sich nicht beirren und hatte nach einigen Jahren sein Ziel erreicht.

Die Schulkameraden bedachten ihn mit Häme für seine Cash-Begeisterung. "Damals hörten alle Smokie oder die Bay City Rollers, Cash war bei meinen Altersgenossen absolut nicht in Mode", erinnert sich Decker an seine Jugend.

Bei der Abiturfeier 1983 wurde er von seinem Mitschülern mit den Worten "Petting statt Pershing, Zappa statt Cash" hochgenommen. Ersteres verdankte er seiner Verteidigung des Nato-Doppelbeschlusses. "20 Jahre später, bei einem Klassentreffen, hatte sich der Spott in Anerkennung verwandelt. Cash war durch das Album ''American Recordings'' wieder populär geworden. Das war schon eine Genugtuung für mich."

Seit vielen Jahren gehört Decker dem "International Johnny Cash Fanclub" an, war zeitweilig auch Vorsitzender. Durch dieses Engagement konnte er den Sänger regelmäßig treffen und für das Fanclub-Magazin interviewen.

Insgesamt besuchte er etwa 100 Cash-Konzerte, sein erstes bereits 1978. "Meine Sammelleidenschaft ging so weit, dass ich alle Konzerte auf Band mitschnitt. 1994 wurde ich in London dabei erwischt. Cashs Manager Lou Robin warf mir vor, Raubpressungen in Umlauf zu bringen, was aber nicht stimmte. Ich wollte die Konzerte nur für mich dokumentieren."

Dass dieser Zwischenfall keine Konsequenzen hatte, verdankte der Fan Johnny Cash selbst. "Er hat mich zu einem Gespräch gebeten, und ich hatte das Gefühl, es gefiel ihm vielleicht sogar, dass ich die Konzerte aufnahm. Natürlich durfte er das aber nicht zugeben."

Später habe sich auch das Verhältnis zu Robin wieder normalisiert und er bekam weiter Backstage-Pässe für die Konzerte.

Wie stellt man es an, mehr als 3 000 Platten und CDs von demselben Künstler zusammenzutragen? "Dazu muss man natürlich immer am Ball bleiben, Plattenbörsen aufsuchen und Kataloge wälzen." Sogar Platten aus Taiwan, Australien und Japan hat Decker auf diese Weise ergattert - die teuersten von ihnen kosteten bis zu 100 Euro.

Etliche Stücke stammen auch aus Auflösungen anderer Sammlungen. Durch seine Arbeit hat Decker heute weniger Zeit als früher, um eventuell noch fehlende Tonträger aufzuspüren. "Wenn die anderen aus dem Club eine seltene Aufnahme entdecken, bin ich derjenige, der sie bekommt. Meine Sammlung soll schließlich die größte bleiben."

Er habe Cash nie einfach nur als Country-Sänger gesehen, sagt Decker. "Vor allem die ganz frühen Alben haben gezeigt, dass Cash eigentlich ein Rock''n''Roll-Sänger war." So erklärt sich auch, warum Decker für Country-Musik im herkömmlichen Sinne wenig übrig hat.

Neben Cash interessiert ihn vor allem Jazz, aber auch aktuelle Popmusik. Besonders fasziniert den Politikwissenschaftler an Cash, "dass er total anders war. Er war eine sehr charismatische Figur. Außerdem hatte er immer seinen eigenen Kopf und stand Autoritäten respektlos gegenüber."

Den Ruf nach Bonn für eine Professur mit dem Schwerpunkt "vergleichende Regierungslehre" erhielt Decker im Jahr 2001. Seitdem trifft er beruflich viele Menschen, die wichtig sind oder sich zumindest für wichtig halten, wie er es ausdrückt. "Meine Kollegen wundern sich manchmal darüber, dass ich diesen Personen gegenüber relativ respektlos auftrete. Das hat auch etwas mit Cash zu tun, da bin ich mir sicher."

Zu seinen Studenten sei er aber "eher liberal, jedoch verbindlich. Das ist wohl auch eine Altersfrage. Ich bin ja selbst noch nicht so weit von meiner Studienzeit entfernt." Johnny Cash zum Thema eines Seminars zu machen, plant Decker aber nicht: "Das hängt auch mit dem Fach zusammen. Johnny Cash fällt eher in den Bereich Kultur."

Am 12. September 2003 starb Johnny Cash nach langer Krankheit im Alter von 71 Jahren. Decker erfuhr in seinem Büro vom Tod des Stars. "Eigentlich blieb ich - seltsamerweise - relativ gelassen. Es hatte sich ja schon über längere Zeit angekündigt." Die Arbeit an Cashs Nachruhm werde weitergehen, sagt Decker. "Unsere Aufgabe ist es, die Erinnerung wachzuhalten."

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