Auf dem Weg zum "Ess-Führerschein"

Forscher beleuchten, wie junge Menschen essen und trinken - Experten-Tagung in Bonn

Bonn. "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" gilt auch für die Ernährung. Was Kinder über Essen und Trinken erfahren, prägt ihr späteres Essverhalten und ihre Gesundheit im Erwachsenenalter mit. Ernährungswissenschaftler fordern deshalb, auch die Kompetenz der Heranwachsenden auf diesem Gebiet zu fördern. Ein "Führerschein für Ernährung" wurde sogar bei einer Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn gefordert.

"Nur wenn Kinder und Jugendliche Bescheid wissen, können sie sich im Dschungel der Angebote zurechtfinden und aus der Fülle rational auswählen", betonte Professor Michael Krawinkel von der Universität Gießen.

Das Problem in den Industrieländern sei nicht der Mangel, sondern der Umgang mit dem Überfluss. Nach wie vor wissen die Leute zu wenig über gesunde Ernährung, richtige Auswahl und Verarbeitung von Lebensmitteln. Professor Helmut Heseker aus Paderborn beobachtet sogar einen deutlichen Kompetenzverlust in den Haushalten.

Um so mehr drängt er auf eine bessere Gesundheitserziehung in der Schule. "Ernährung" als eigenständiges Unterrichtsfach lautet der Wunsch vieler Experten. DGE-Präsident Helmut Erbersdobler ist optimistisch, dass sich das wachsende allgemeine Interesse an angemessener Ernährung künftig in den Lehrplänen niederschlägt.

Frühzeitige Prävention tut not. Das zeigen die Brennpunkte der Kinderernährung: Alarmierend ist etwa, dass die Zahl der dicken Kinder immer größer wird. "Übergewicht und Adipositas bestehen bereits bei bis zu 23 Prozent der Kinder und Jugendlichen", stellt der Kieler Wissenschafter Manfred Müller fest - er leitet seit 1996 im Norden eine Adipositasstudie.

Sie erfasste bisher mehr als 4 000 Kinder ab der Einschulung und überprüft in Abständen unter anderem deren Ernährungszustand, -wissen und -verhalten.

Müllers Team informiert im Unterricht, auf Elternseminaren und in der Lehrerfortbildung über Ernährung und Bewegung, bietet Verhaltensschulung und Familientherapie an. Ziel ist, Kindern und Eltern einen "positiven Gesundheitsbegriff" zu vermitteln: "Gesundheit" bedeute, sich gut zu fühlen, kein stupides Kalorienzählen und Du-darfst-das-nicht-essen-Verbote.

Kein Nahrungsmittel dürfe verteufelt werden - wenn sie nicht zum Regelfall werden, sind auch Pizza oder Hamburger kein Problem.

Frühe Hilfe ist bei dicken Kinder aus mehreren Gründen wichtig, erläutert Friedrich Manz vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund. Diese Kinder werden meist ausgegrenzt, der psychische Druck ist zunächst viel höher als das gesundheitliche Problem. Langfristig aber leidet auch der Körper, denn aus dicken Kindern werden häufig dicke Erwachsene mit Risiken etwa auf Stoffwechsel- und Herzkreislauferkrankungen.

Bei der Bonner Arbeitstagung sollte deutlich werden, dass sich auch die DGE als "eine Lobby für die Kinder" versteht, sagt der DGE-Vizepräsident und Bonner Ernährungswissenschaftler Peter Stehle. Werben für die richtige Ernährung von Anfang an verlange Informieren und Handeln auf vielen Ebenen.

Kinder, Eltern, Erzieher, Ärzte und viele andere müssen erreicht werden: Die DGE wird deshalb in Kürze gemeinsam mit dem Bundesernährungsministerium und weiteren Organisationen bei den Kindertagesstätten eine bundesweite Kampagne beginnen.

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