Spitzenforschung an der Bonner Uni Team der Uni Bonn liefert Detektor für Experiment in Japan

Bonn · Ein Pixeldetektor, den eine Gruppe um die beiden Professoren Jochen Dingfelder und Norbert Wermes am Physikalischen Institut der Universität Bonn mitentwickelt hat, soll unter anderem dabei helfen, neue Phänomene der Teilchenwelt zu entdecken.

Der goldene Streifen ist etwa so groß wie ein Kaugummi, ein auf den ersten Blick eher unscheinbarer, wenn auch prominent platzierter Silizium-Sensor, umgeben von Elektronik-Chips. Doch in diesem Pixeldetektor, den eine Gruppe um die beiden Professoren Jochen Dingfelder und Norbert Wermes am Physikalischen Institut der Universität Bonn mitentwickelt hat, steckt neben unglaublich viel Arbeit auch die Hoffnung auf weltbewegende Entdeckungen, auf Messergebnisse, die das Verständnis der Natur und ihrer Gesetze auf eine neue Stufe heben. Im Rahmen des Belle-II-Experiments im japanischen Forschungszentrum für Teilchenphysik KEK soll er unter anderem dabei helfen, neue Phänomene der Teilchenwelt zu entdecken, das Ungleichgewicht von Materie und Antimaterie zu verstehen und der ominösen dunklen Materie auf die Spur zu kommen.

„Unser Verständnis von Elementarteilchen und deren Wechselwirkungen wird bislang von dem sogenannten Standardmodell beschrieben“, führt Dingfelder aus. „Wir wissen aber inzwischen, dass diese Theorie nicht vollständig ist, weil sie die Gravitation nicht abdeckt und auch die postulierte dunkle Materie nicht erklärt. Insofern suchen wir mit dem SuperKEKB-Beschleuniger in Tsukuba nach Anzeichen für neue Arten von Kräften und nach exotischen Materieteilchen, die uns dabei helfen, die Zusammenhänge etwas besser zu verstehen.“

Und dabei kann der Pixeldetektor helfen? „Ja“, bestätigt Dingfelder. „Genauer gesagt sind es fast 40 Detektormodule, die in zwei Schichten in einer Art Röhre angeordnet sind, ungefähr so groß wie eine Red-Bull-Dose. Sie werden im SuperKEKB-Beschleuniger fast direkt am Kollisionspunkt von Elek-tronen- und Positronenstrahlen sitzen und von den erzeugten Teilchen durchdrungen“, erläutert der Forscher. „Wir können ihre Spuren präzise messen. Zusammen mit zahlreichen anderen Messinstrumenten des Belle-II-Detektors erhalten wir so ein klares Bild davon, was in den Kollisionen passiert. Dabei werden wir rund 50 Mal mehr Daten aufzeichnen als beim Vorgänger-Experiment Belle.“

Der Sensor ist nur 75 tausendstel Millimeter dick

Eine Herausforderung sei es dabei gewesen, den Detektor nicht nur weitaus präziser zu machen als die Vorgängerversionen, sondern ihn auch möglichst dünn zu halten. „Wenn Teilchen durch Materie fliegen, werden sie abgelenkt, und das wollen wir so weit wie möglich reduzieren, um die Messungen der weiter hinten sitzenden Detektoren nicht zu sehr zu verfälschen“, sagt Dingfelder. Der nun entwickelte Silizium-Sensor ist lediglich 75 Mikrometer (tausendstel Millimeter) dick. „Gleichzeitig müssen die Daten extrem schnell verarbeitet werden können – wir werden mit unseren etwa acht Millionen Pixeln mehr als 20 Gigabyte pro Sekunde erzeugen.“ Finanziert wird das Projekt durch die Verbundförderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Zehn Jahre lang haben die rund 15 beteiligten Wissenschaftler an der Universität an dem Detektor gearbeitet. Zuvor hat die Bonner Gruppe schon maßgeblich am Bau des Pixeldetektors für das Großexperiment ATLAS am europäischen Kernforschungszentrum CERN mitgewirkt, mit dem 2012 das Higgs-Boson nachgewiesen wurde – für die theoretische Vorhersage dieses Teilchens erhielten Peter Higgs und Francois Englert ein Jahr später den Physik-Nobelpreis. Ob sich mit Belle-II ein ähnlicher Erfolg erreichen lässt? Möglich ist alles, glaubt Dingfelder. Doch das kann dauern. „Wir sind ja jetzt noch dabei, die Daten des Vorgänger-Experiments auszuwerten.“

Derzeit arbeitet Dingfelders Team fieberhaft daran, den Pixeldetektor endgültig fertigzustellen. „Im Juni soll er nach Japan gebracht und im Herbst dann eingebaut werden“, so Dingfelder. „Der SuperKEKB-Beschleuniger ist zwar schon in Betrieb, wird aber gerade feinjustiert. Unter anderem werden dabei auch die konkreten Strahlungsbedingungen gemessen, damit später ein sicherer und sauberer Betrieb des Detektors gewährleistet werden kann. Anfang 2019 wollen wir schließlich mit der Datennahme und dem Physikprogramm beginnen. Dann wird es richtig spannend.“ Wegen der Hoffnung auf neue Teilchen? „Ja – aber auch deshalb, weil letztlich jedes Ergebnis für uns eine Erkenntnis darstellt. Und ohne die gibt es keinen Fortschritt.“

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