Alanus Hochschule Alfter Ringvorlesung zum Thema „Liebe“ startet

Alfter · Die Alanus Hochschule starte eine Ringvorlesung, die sich der Liebe widmet. Professor Maurice Saß startet am Mittwoch mit seinem Vortrag „Mitten ins Herz!“.

 „Aggressive Direktadressierung“ nennt es der Kunsthistoriker Maurice Saß, wenn Amor seinen Pfeil direkt auf den Betrachter schießt. So geschehen auch bei dem Bremer Theaterstück „Amors Rache“ mit dem gut zielenden Gordon Golletz.

„Aggressive Direktadressierung“ nennt es der Kunsthistoriker Maurice Saß, wenn Amor seinen Pfeil direkt auf den Betrachter schießt. So geschehen auch bei dem Bremer Theaterstück „Amors Rache“ mit dem gut zielenden Gordon Golletz.

Foto: picture alliance / dpa/Carmen Jaspersen

Die Liebe als Jagdmotiv – das klingt erst mal wenig romantisch. Was es damit auf sich hat, erklärt Maurice Saß am Mittwoch, 16. Oktober, in seinem Vortrag „Mitten ins Herz!“, den er im Rahmen der Ringvorlesung „Liebe usw.“ hält.

Der Juniorprofessor für Kunstgeschichte und -wissenschaft an der Alanus Hochschule beschäftigt sich im Zuge seiner Habilitation unter anderem mit der Geschichte der Jagd. Bei der Jagd gibt es laut Saß verschiedene „Semantiken“. Will sagen: Worum geht es noch – außer um das Erlegen von Tieren? Seinen Vortrag bezeichnet er als kunstgeschichtlichen Beitrag, der auch die gewaltvollen Elemente der Liebe thematisiert. Der Fokus liegt dabei kunsthistorisch auf der frühen Neuzeit. „Ich greife Aspekte der Liebe auf, die wir eher mit Begierde verbinden. Das Entfachen von Begierde wird oft gleichgesetzt mit Liebe oder Verliebtsein.“ Auch werde oft versucht, Liebe mit Dauerhaftigkeit zu verbinden.

Um das komplexe Thema sinnvoll darzulegen, hat Saß seinen Vortrag in vier Abschnitte gegliedert: Einführung – Sehen als Jagd – Sehen als Schießen – Das Bild als Geschoss. Abschließend befasst er sich allgemein mit der Liebe als Jagdmotiv. In den Abschnitten „Sehen als Jagd“ und „Sehen als Schießen“ setzt Saß sich mit Fragen auseinander wie „Wie passiert es, dass man sich verliebt?“. Greifbar macht dies die Vorstellung, dass das Auge mit Pfeilen schießt und damit aktiv jemanden oder etwas erlegt. Im Gegenzug wird passiv jemand getroffen. „Schon Dichter wie Francesco Petrarca berichteten darüber, dass »Augenpfeile« die Liebesbeute erlegen“, sagt Saß.

Die Liebe in der Kunst

 Maurice Saß. Foto: Hoschule

Maurice Saß. Foto: Hoschule

Foto: Jill Mylonas

Um das Thema auch visuell verständlich zu machen, geht es in seiner Vorlesung überwiegend um Gemälde. So will der Juniorprofessor etwa zur Einführung das Werk „Liegende Quellnymphe“ von Lucas Cranach dem Älteren aus dem Jahr 1518 zeigen. „Cranach hat als Erster im nördlichen Raum profane Akte in diesen Dimensionen gemalt“, so Saß. In der Höhe misst das Werk 59 und in der Breite 92 Zentimeter. „Dieses Gemälde bietet sich an, denn es provoziert das, was die Liebesjagd ausmacht.“ Pfeil und Bogen habe die Nymphe beiseite gelegt und posiere unbekleidet in der Natur, „frivol“, wie es in der Renaissance üblich gewesen sei. „Hier bringt Cranach den Betrachter in eine Testsituation: Inwiefern wird er von dem nackten Fleisch angesprochen und reagiert darauf?“

Ein ebenfalls passendes Sujet liefern die Mythen um Diana/Artemis, die in der Malerei vielfach dargestellt sind. Besonders gilt das für den Mythos um den Jäger Aktaion, der Diana beim Baden beobachtet und als Voyeur erwischt wird. Außerdem erwähnt Saß die „aggressive Direktadressierung“ an den Betrachter, etwa dann, wenn Amor seinen Pfeil aus dem Bild heraus direkt auf den Betrachter richtet. „Ähnlich verhält es sich übrigens bei der Werbefigur Uncle Sam, die aus einem Rekrutierungsplakat aus dem Ersten Weltkrieg heraus auf den Betrachter zeigt“, so Saß. In diesen Fällen könne man das Bild selbst als Geschoss verstehen, was den dritten Abschnitt seiner Vorlesung bildet. Hierbei wird der Betrachter laut Saß also in die Bildwelt involviert.

Diskussionen erwünscht

„Pfeile zu verschießen, damit sich Leute ineinander verlieben, gilt als der Inbegriff von Kitsch“, sagt Saß. „Aber man muss sich bewusst machen, dass es eigentlich gar nicht so ist.“ Es handele sich dabei vielmehr um ein aggressives Vorgehen – man sei der Liebe dann wortwörtlich erlegen. Im letzten Abschnitt möchte er das Dargelegte verallgemeinern und auf eine anthropologische Ebene bringen. „Dabei werde ich keine Position beziehen, sondern das Thema aus historischer Sicht beleuchten“, sagt Saß. Für ihn sei bei der Auseinandersetzung auch die #metoo-Debatte wichtig gewesen. „Zwar gehe ich in dem Vortrag nicht speziell darauf ein, aber auch diese Aspekte sind relevant.“

Sehr erwünscht sind laut Saß Dialoge zum Thema, gerne auch im und aus dem Publikum. „Ich möchte einen Impuls für anschließende Diskussionen geben und wünsche mir, dass diese möglichst kontrovers werden.“ Im Idealfall sollten die Zuhörer nach dem Vortrag intensiver über die Verwendung von Liebesmetaphern nachdenken. „Natürlich kann es auch schöne Momente mit sich bringen, wenn man »getroffen wurde« und sich gegenseitig mag.“ Als Moderator möchte Saß einen Beitrag zu der Debatte leisten.

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