Forschung an der Uni Bonn Mit "aktiven" Verpackungen gegen die Wegwerf-Gesellschaft

Bonn · Neuartige Verpackungen helfen dabei, die Haltbarkeit von Lebensmitteln zu verlängern. Allerdings ist die Forschung, vorangetrieben an der Uni Bonn, noch nicht bei der "Serienreife" angelangt.

 Das „Mindesthaltbarkeits“-Datum auf der Milchtüte heißt nicht zwingend, dass Sie den Inhalt am 17. Mai wegschütten müssen. Beim „Verbrauchs“-Datum (etwa von Geflügel) ist das schon ganz anders.

Das „Mindesthaltbarkeits“-Datum auf der Milchtüte heißt nicht zwingend, dass Sie den Inhalt am 17. Mai wegschütten müssen. Beim „Verbrauchs“-Datum (etwa von Geflügel) ist das schon ganz anders.

Foto: picture alliance / Inga Kjer/dpa

Die Bilder gleichen sich jedes Jahr vor Ostern, Weihnachten und an langen Wochenenden, zuletzt wieder vor dem vergangenen Maifeiertag: Schlangen an den Kassen der Supermärkte. Verbraucher, die einkaufen, als gäbe es kein Morgen. Doch Feiertage versetzen nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Produzenten von Obst, Fleisch und Gemüse sowie den Handel in eine Art Ausnahmezustand.

Einerseits sollen die Regale und Theken stets prall gefüllt sein, so dass der Kunde richtig zugreifen kann und keinen „Mangel-Eindruck“ vom Laden erhält. Andererseits gilt es Verluste zu minimieren, die der Laden erleidet, wenn zu viel Ware eingekauft wurde, die nach zu langer Lagerung nicht mehr verkauft werden kann (oder darf).

Der Gründe, aus denen Lebensmittel nicht mehr verkauft, sondern weggeworfen werden, sind vielfältig. Da ist das Problem mit der nötigen Dauerkühlung beim Transport: „Wenn der Händler feststellt, dass die Kühlkette bei leicht verderblichen Waren vielleicht zwei Stunden unterbrochen war und die Sensoren im Lkw eine Temperaturerhöhung registriert haben, wird aus Sicherheitsgründen häufig die gesamte Charge verworfen“, sagt Dr. Judith Kreyenschmidt vom Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften der Universität Bonn. Sie leitet die dortige Arbeitsgruppe „Cold Chain Management“.

Mindesthaltbarkeitsdatum gibt Sicherheit

Bei Obst und Gemüse ist es in der Regel für den Verbraucher leicht, verdorbene Waren zu erkennen: Man kann es sehen. Auch die meisten Milchprodukte sind unkritisch, lässt sich doch anhand des Geruchs, Geschmacks oder Aussehens problemlos erkennen, ob sie noch genießbar sind.

Eine weitere Sicherheit gibt das Mindesthaltbarkeitsdatum, das in der Regel eine recht große Sicherheitsspanne mit einberechnet. Viele Produkte dürfen und können auch noch kurz vor oder schon nach Ablauf des Datums bedenkenlos (zu reduzierten Preisen) verkauft werden, wenn sie keine gesundheitliche Gefährdung für den Verbraucher darstellen.

Kritischer wird es bei Fleisch, Fisch und insbesondere Geflügel, da sich hier sehr schnell krankmachende Krankheitserreger vermehren können, die nicht mit bloßem Auge erkennbar sind. Deshalb gilt für viele dieser Produkte kein Mindesthaltbarkeits-, sondern ein „Verbrauchs“-Datum: Ist es abgelaufen, dürfen solche Lebensmittel definitiv nicht mehr in Verkehr gebracht werden.

Auch für die Kühlung während des Transports gelten besondere Vorschriften. So darf frisches Schweinefleisch während des Transports nicht wärmer als 7 Grad werden. Auskunft darüber gibt das Temperaturüberwachungssystem des jeweiligen Transporters.

Intelligente Verpackungen könnten helfen

Eines der aktuellen Kühlketten-Probleme ist laut Kreyenschmidt: „Es wird zurzeit lediglich die Umgebungstemperatur und nicht die eigentliche Produkttemperatur überwacht, die bei einem großen Teil der Lieferung durchaus ohne Beanstandung sein kann.“ Mehrere Untersuchungen haben bestätigt, dass dies einer der Gründe ist, weshalb zwischen 15 und 20 Prozent des produzierten Frischfleischs als „Ausschussware“ bereits vor dem Verkauf vernichtet wird.

Eine gigantische Verschwendung – nicht nur ethisch betrachtet, sondern auch ökonomisch; nicht nur von Fleisch, sondern auch von den vielen Ressourcen, die für die Aufzucht und Mast der Tiere benötigt wurden.

Aktive und intelligente Verpackungen könnten helfen, diese Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. „Intelligente“ Verpackungen verfügen beispielsweise über integrierte Chips, die detailliert Auskunft über die Temperaturhistorie der jeweiligen Ware geben – und damit schon ein hohes Maß an zusätzlicher Information und Sicherheit.

„Aktive“ Verpackungen hingegen wirken mittels antimikrobieller Substanzen auf das Produkt ein. Während man anfangs Silber als keimtötendes Additiv einsetzte, experimentiert man heute verstärkt mit Pflanzenextrakten, beispielsweise aus Salbei oder Thymian.

Antimikrobielles Polymer

„Ein Problem bei diesen Verpackungen ist“, so sagt Kreyenschmidt jedoch, „dass diese Substanzen beim Lebensmittel geruchliche Veränderungen hervorrufen können.“ Auch müssen sie, um wirksam zu sein, aus dem Material „migrieren“ (also heraustreten und mit dem Lebensmittel in Kontakt kommen) – „was bei den vorgeschriebenen Kühltemperaturen gar nicht so einfach zu erreichen ist“.

Die Arbeitsgruppe der Bonner Forscherin hat deshalb an einer anderen Lösung gearbeitet und in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule in Münster ein Polymer entwickelt, das allein durch die Oberflächenstruktur antimikrobiell wirkt. Es handelt sich hierbei um einen rein physikalischen Oberflächeneffekt und keine chemische Reaktion mit dem Lebensmittel.

Die Folie wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelt und für verschiedene Lebensmittel getestet. Während sie schon jetzt bei vielen Lebensmitteln eine gute Wirkung zeigt, arbeiten die Bonner und Münsteraner Forscher derzeit daran, die Verpackung für Frischfleisch weiter zu optimieren.

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