Messe in der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Marketing wie bei den Profis

SANKT AUGUSTIN · Es ist warm und stickig, trotz der weit geöffneten Türen und Fenster. Schuld ist nicht das Wetter – das ist eher mild – sondern die vielen Menschen, die sich in der Mensa der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg drängen.

 Das fiktive Projekt von Blerim Llolla, Daniel Hecht und Lukas Slavicek (v.l.) heißt MoveE und ist ein aus recycelten Abfällen hergestelltes Fahrrad – das abgebildete ist natürlich ein handelsübliches. FOTO: ELSSNER

Das fiktive Projekt von Blerim Llolla, Daniel Hecht und Lukas Slavicek (v.l.) heißt MoveE und ist ein aus recycelten Abfällen hergestelltes Fahrrad – das abgebildete ist natürlich ein handelsübliches. FOTO: ELSSNER

Foto: Lennart Elßner

Sie sind elegant gekleidet, die meisten tragen Anzug oder Blazer. Eigentlich untypisch, sind sie doch alle Studenten und unter 30.

Wer aufmerksam zuhört, kann dem gedämpften Stimmengewirr entnehmen, warum sich die Studierenden sich an einem Montagabend in ihrer Hochschule versammelt haben: Man unterhält sich auf Englisch, es werden Produkte angepriesen, Mengenrabatte vereinbart und Verkäufe abgeschlossen. Die Studenten simulieren eine internationale Handelsmesse. Für das Fach Business English haben sie sich eigene Unternehmen ausgedacht, deren fiktive Dienstleistungen und Produkte sie an ihre Kommilitonen verkaufen wollen.

So auch Hanna Wiese, die mit zwei Kommilitoninnen „SpaceTrucks“, ein modernes Speditionsunternehmen, erdacht hat. Die Idee: Mehrere Unternehmen sollen sich Lastwagen teilen, so dass diese immer bis zum Rand gefüllt abfahren. Das soll die Umwelt schonen und natürlich auch Geld sparen. „Es ist gewissermaßen wie eine Mitfahrgelegenheit, nur eben für LKW“, erklärt Wiese.

Auf dem Tisch neben ihr liegen Flyer, es gibt Kekse und Getränke, ganz wie auf einer echten Messe. Ein Laptop zeigt die – noch vorsintflutliche – Webseite des Unternehmens. Natürlich gäbe es auch eine App, versichert Geschäftsführer Maurice Weste, während er immer wieder zwischen Laptop und Konzept-Plakat hin und her gestikuliert.

Die Rolle als junger Start-Up-Gründer nimmt man ihm ab. Tatsächlich habe er schon darüber nachgedacht, die „SpaceTrucks“-Idee nach dem Studium wirklich umzusetzen, sagt Weste. Seine Kolleginnen nicken – sie alle haben in den vergangenen Monaten ein wenig den Traum vom eigenen Unternehmen träumen dürfen. An erster Stelle steht für sie dennoch der Studienabschluss. Auf „SpaceTrucks“ festlegen möchte sich noch niemand.

Zentrales Thema der Messe und einzige Vorgabe an die Studierenden ist das Thema Nachhaltigkeit. Mit Blick auf die Europäische Nachhaltigkeitswoche, die am Montag begonnen hat, war jedes der insgesamt 22 Teams angehalten, ein „grünes“ Unternehmen zu erschaffen. Auf den ersten Blick nicht sehr kreativ wirkt da Yolo, eine Beratungsagentur, die anderen Unternehmen schlicht dabei helfen will, selbst nachhaltiger zu werden.

„Jeder hier redet über Nachhaltigkeit, aber niemand weiß, wie nachhaltig das eigene Unternehmen wirklich ist“, umreißt Nedim Agovic, einer der Gründer von Yolo, die Geschäftsidee, während er im Schnelldurchlauf eine einstudierte Rede über die Vorzüge seines Unternehmens herunterrattert und gleichzeitig eine Power-Point-Präsentation auf seinem Laptop durchklickt. Es zeigt sich: Hinter dem vermeintlich simplen Konzept steckt ein durchdachter und detailliert ausgearbeiteter Plan.

Auch Agovic selbst wirkt seriös, geradezu routiniert. Fast so, als würde er schon seit Jahren Messegespräche führen. Sein Stand ist beliebt, die Kommilitonen stehen sogar Schlange bei ihm, um seine fiktive Agentur für ihr fiktives Unternehmen unter Vertrag zu nehmen. Damit die Simulation einigermaßen lebensnah ist, hat jedes Team zu Beginn 20.000 Euro Spielgeld bekommen, das es an den Messeständen ausgeben kann. Vieles davon wandert über den zur Verkaufsfläche umfunktionierten Mensatisch in die Hände von Agovic und seinen Mitgründern.

Wirklich etwas davon kaufen können sich die Studenten natürlich nicht. Für Regina Brautlacht, Leiterin des Kurses Business English und Initiatorin der Messe, liegt der Wert der Veranstaltung aber ohnehin in der Erfahrung, die die Teilnehmer sammeln: „Die Studierenden können hier praxisorientiert lernen, Verhandlungen auf Englisch zu führen. Das macht doch viel mehr Spaß, als stumpf Vokabeln zu büffeln.“

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