Buchstaben X und Y sind besondere Herausforderungen Karl Marx belegte neun Kollegien

Bonn · 16 Germanistikstudenten haben das ABC der Universität Bonn herausgegeben. Sie zeichnen ein vielschichtiges Bild.

 Mit ihrem ABC der Uni Bonn haben die Germanisten des Lehrbeauftragten Mario Leis selbst ein Stück Literatur geschaffen.

Mit ihrem ABC der Uni Bonn haben die Germanisten des Lehrbeauftragten Mario Leis selbst ein Stück Literatur geschaffen.

Foto: Benjamin Westhoff

Dass er sich 1819 an der juristischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universiät Bonn einschrieb, geschah eigentlich nur, um seiner Mutter daheim in Düsseldorf einen Gefallen zu tun.

Allzu oft dürften die Kommilitonen den damals 22-jährigen Heinrich Heine allerdings nicht zu Gesicht bekommen haben. Zog es ihn doch vielmehr in die Vorlesungen des Literatur- und Geisteswissenschaftlers August Wilhelm von Schlegel: nach der neuesten französischen Mode gekleidet, mit Glacéhandschuhen und einem Diener in Livree zum Putzen der Wachslichter.

Zu finden ist diese Episode unter dem Buchstaben H im gerade erschienenen "ABC der Universität Bonn" - konzipiert im Sommersemester 2017 von den Studenten eines Praxismoduls des Instituts für Germanistik unter Leitung des Lehrbeauftragten Mario Leis.

Sie haben mit Originalzeugnissen aus dem Uni-Archiv sowie der Universitäts- und Landesbibliothek gearbeitet, die für ihr Kompendium passenden Texte zusammengetragen, sie eigens transkribiert und schließlich zusammen mit einigen Abdrucken der Originaldokumente sowie mit aktuellen Farbfotos der Unigebäude ins Layout gesetzt.

Eine der Herausforderungen bei dieser Arbeit? "Die Hand- und Frakturschrift" antwortet Annalena Kirsten spontan. "Das haben wir abgeschrieben, um es auch für heutige Gewohnheiten lesbar zu machen." Kirsten gehört zu den 16 Herausgeberinnen und Herausgebern des Buches, studiert ebenso wie Franziska Klemmer im Nebenfach Geschichte und hat, wie sie, vor zwei Jahren Erfahrungen als Herausgeberin des ebenfalls aus einem Praxismodul entstandenen und im Januar 2017 erschienenen Buches "Bonn - Eine literarische Reise" gesammelt.

"Dadurch konnten wir den anderen Tipps geben, welche Texte infrage kommen und wie man da am besten herangeht", beschreibt Klemmer die Arbeitsweise.

Der jüngste Text ist auf das Jahr 2017 datiert und stammt von Mitherausgeberin Medina Hilic, die mit ihrem Beitrag über die "Yogabären" auf der Hofgartenwiese als eindeutig zeitgemäßem Phänomen zugleich eine wichtige Lücke geschlossen hat: "Denn bei Buchstaben wie X oder Y ist es fast unmöglich, etwas Passendes zu finden."

Die Entscheidung für das Alphabet als Gliederungssystem erläutert Mario Leis: "Auf diese Weise entsteht ein abwechslungsreiches und vielschichtiges Bild. Und man kann in diesem ABC ganz nach Belieben stöbern, denn einen Anfang im herkömmlichen Sinn gibt es nicht."

Dafür allerdings begegnet man bei diesem Rundgang durch 200 Jahre Universitätsgeschichte noch weiteren Prominenten wie zum Beispiel dem von seinen Studenten zeitlebens verehrten Rektor Ernst Moritz Arndt. Oder auch Karl Marx, dessen Geburt ins gleiche Jahr fällt wie die Gründung der Universität, an der er 1835 gleich neun Kollegien belegte.

Ein bisschen viel, wie auch sein Vater in Trier befand. Andererseits dürfte ihn der Ehrgeiz seines Sohnes durchaus mit Stolz erfüllt haben. Die Mitgliedschaft Friedrich Nietzsches in der Verbindung Franconia, der er 1864 beitrat, sollte indes nicht von langer Dauer sein. Auch wenn solche Burschenschaften zu dieser Zeit dem studentischen Leben die meist übliche Form gaben und der Schmiss auf Nietzsches Nase ihm aus Sicht seines Freundes Paul

Deussen gar nicht mal so übel zu Gesicht stand, hat der berühmte Philologe und Philosoph sich später recht gleichmütig "dimittieren" lassen, ohne je seine Insignien zurückgegeben zu haben. Während Schlegel etwa zur gleichen Zeit den Lockungen des Freiherrn von Stein nach Berlin widerstand.

Ganz so beschaulich, wie er es beschrieb, ging es an der Bonner Alma Mater nicht immer zu. So ahndete das Universitätsgericht nächtlich-feuchtfröhliche Gelage oder auch das konsequente Fernbleiben vom Hörsaal mit empfindlichen Strafen. Wie etwa: "Nicht-Besuchen der Vorlesungen und unordentlicher Lebenswandel des Studenten Albert H. aus Potsdam. Enthält: Urteil die Stadt verlassen zu müßen (1826)."

Mehr als 100 Jahre alte Zeitzeugnisse auf der einen sowie digitalisiertes Material auf der anderen Seite waren für die Beteiligten ein faszinierendes Forschungsfeld. Für die nächste Publikation dieser Art wären Annalena Kirsten, Franziska Klemmer und Medina Hilic sofort wieder zu gewinnen.

Das Buch: ABC der Universität Bonn - 200 Jahre Universitätsgeschichte. Verlag für Kultur und Wissenschaft, Bonn, 104 S., 12 Euro

Meistgelesen
Neueste Artikel
Mit der Lizenz zum Durchkämpfen
Judo-Olympionikin und Mathe-Professorin Laura Vargas Koch Mit der Lizenz zum Durchkämpfen
Zum Thema
Aus dem Ressort