Preis für Forschung Italienischer Physiker geht in Bonn Atomen auf den Grund

Bonn · Experimentalphysiker Andrea Alberti erhält für seine herausragende Forschung und Publikation den Rudolf-Kaiser-Preis

 Ausgezeichnet: Für seine Forschungen hat der italienische Physiker Andrea Alberti an der Universität Bonn ein ideales Umfeld gefunden.

Ausgezeichnet: Für seine Forschungen hat der italienische Physiker Andrea Alberti an der Universität Bonn ein ideales Umfeld gefunden.

Foto: Benjamin Westhoff

Ein Blick in das Labor verrät: Hier wird echt gearbeitet. Auf dem optischen Tisch gruppieren sich alle möglichen Apparaturen zu einem ausgefeilten Ensemble: Spiegel, Objektive mit besonders hoher Auflösung, Faserkoppler und Linsen sind nur einige Einzelteile des großen Ganzen. Und damit gewinnt Dr. Andrea Alberti neue Einblicke in die Bewegung einzelner Atome. „Durch die Beobachtung, wie sich die Atome in einem Gitter aus Licht bewegen, können wir grundsätzlich ausschließen, dass eine klassische Weltanschauung, die die Experten als Realismus beschreiben würden, genügt, um die experimentellen Daten zu interpretieren“, sagt der Wissenschaftler der Universität Bonn.

Dann hört er auf einmal verdächtige Klick-Geräusche aus einem der Apparate. Seine Vermutung: „Möglicherweise haben wir jetzt mit dem Besuch hier im Labor eine laufende Probereihe unserer Doktoranden gestört.“ Also schnell wieder raus.

Vor Kurzem hat der 36-Jährige für seine Forschungen und die dazugehörige Publikation den Rudolf-Kaiser-Preis erhalten, eine mit 35 000 Euro dotierte Auszeichnung für Nachwuchs-Experimentalphysiker. Auf Grundlage der Bonner Forschungen bewies das Team aus Wissenschaftlern unter Federführung von Alberti, dass Caesiumatome an verschiedenen Orten zugleich sein können. Auf unsere Alltagserfahrung übertragen würde das bedeuten, dass ein Elfmeterschuss ins Tor und gleichzeitig ins Aus geht. Erstaunlich. Was auf dem Rasen nicht funktioniert, ist in der Quantenmechanik möglich.

Ein Fußballfan ist der in Imperia (Italien) geborene Alberti trotz dieses Erklärungsansatzes nicht, er geht lieber laufen. Vor ein paar Jahren, da schaffte er die zehn Kilometer noch in 38 Minuten. Heute trainiert er nicht mehr jeden Tag. Die intensive Forschung und regelmäßige Gastvorträge vor Expertenrunden im Ausland lassen gerade genug Zeit, einmal in der Woche zu joggen. Die Zeit stoppt der begeisterte Leser von David Christians „Big History“ nicht mehr. Er schätzt, dass er inzwischen etwa 45 Minuten für seine Strecke braucht.

In Bonn fühlt Alberti sich rundum wohl

Bereits als Schüler beschäftigte sich Alberti neben der Philosophie auch mit Physik. „Ich habe schon früh ein Interesse daran entwickelt, den Dingen auf den Grund zu gehen und genau zu verstehen, wie sie funktionieren“, sagt der ehemalige Student der renommierten Scuola Normale Superiore in Pisa und dem französischen Pendant in Paris. Sein Promotionsstudium absolvierte er am European Laboratory for Non-Linear Spectroscopy in Florenz. 2010 kam er als Postdoktorand bei Professor Dieter Meschede an die Universität Bonn und erhielt ein Forschungsstipendium der Humboldt-Stiftung. Von 2011 bis 2014 war er am Institut für Angewandte Physik Nachwuchsforschergruppenleiter, seit 2015 ist er Habilitand und Projektleiter des Sonderforschungsbereichs OSCAR (Open System Control of Atomic and Photonic Matter).

In Bonn fühlt sich Alberti rundum wohl. Er wohnt mit seiner Freundin, ebenfalls Wissenschaftlerin, nahe der Uniklinik, geht gerne zum Abschalten im angrenzenden Kottenforst spazieren und schätzt die hohe Restaurantdichte in Poppelsdorf. Auch beruflich sieht er sich als Bonner: „Meine Kollegen und die perfekte Umgebung an der Alma mater haben mit zu dem Forschungserfolg beigetragen“, sagt er. Die Voraussetzungen für seine Arbeit am Institut für Angewandte Physik seien optimal. Deswegen bedauert er es auch, dass seine Zeit dort wahrscheinlich bald zu Ende geht.

Sein nächstes berufliches Ziel ist eine ordentliche Professur. „Leider gibt es in Deutschland in der Praxis keine internen Berufungen. Ich habe also kaum eine Chance, in Bonn zu bleiben.“ In Italien und anderen Ländern sei das nicht so. Da könnten sich die Wissenschaftler seiner Generation komplett auf ihre Forschungsarbeiten konzentrieren, ohne sich ständig auf externe Professuren bewerben zu müssen.

Wenn schon nicht in Bonn, so sieht Alberti seine Zukunft doch irgendwo in Europa. „Ich habe in Italien und Frankreich studiert und arbeite jetzt hier. Mein Werdegang ist europäisch. Und der Ursprung meiner Forschung über Caesiumatome, die mit dem Rudolf-Kaiser-Preis ausgezeichnet wurde, eigentlich auch“, erklärt er. Denn die ersten Überlegungen dazu entstanden 2011 auf einem internationalen Workshop in Budapest. Und sein damaliger Sparringspartner, der die theoretische Unterstützung für die Arbeit leistete, war der britische Wissenschaftler Clive Emary. „Der Rudolf-Kaiser-Preis für mich ist also das Produkt einer europäischen Idee“, sagt Alberti.

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