„Wohnen für Hilfe“ in Bonn Helfen statt zahlen

BONN · Ein Bonner Projekt vermittelt Studierende an Vermieter, die Unterstützung im Alltag brauchen, etwa Rentner. Als Lohn zahlen sie wenig oder keine Miete.

Gerade Rentner sind es oft, die freien Wohnraum haben. Bei „Wohnen für Hilfe“ bieten sie ihn gegen Hilfe im Alltag Studierenden an. FOTO: DPA

Gerade Rentner sind es oft, die freien Wohnraum haben. Bei „Wohnen für Hilfe“ bieten sie ihn gegen Hilfe im Alltag Studierenden an. FOTO: DPA

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Auf der Suche nach einer Bleibe sind viele junge Studierende überfordert. Für welche Wohnform soll man sich entscheiden? Wer gerade erst bei den Eltern ausgezogen ist, kann noch nicht wissen, ob das WG-Leben ihm zusagt, oder, ob es doch eine eigene kleine Wohnung sein soll. Hinzu kommen Bewerbungsfristen für die begehrten Wohnheimplätze. Vor Ort stellt man schnell fest, dass bezahlbarer Wohnraum knapp ist.

Dies ist ein Grund, weshalb sich Studierende bei Lilian Brandt melden. Die Asta-Mitarbeiterin betreut seit Dezember 2014 das Projekt „Wohnen für Hilfe“ in Bonn. Der Name verrät bereits, worum es geht: Vermieter stellen Studierenden kostenlos beziehungsweise sehr günstig ein Zimmer zur Verfügung. Dafür verpflichtet sich der Studierende, seinen Vermieter im Alltag zu unterstützen. In der Regel einigt man sich auf eine Stunde Arbeit pro Quadratmeter Wohnfläche.

Dazu können ganz unterschiedliche Aufgaben gehören: „Ich harke Laub, putze oder bügele auch mal“, zählt Madita Ridder auf. Die 19-Jährige stammt ursprünglich aus Ostwestfalen und studiert seit Oktober in Bonn Katholische Theologie. „In einer Stadt, in der ich noch niemanden kannte, wollte ich nicht alleine wohnen. Mit fremden in einer WG zu leben, kam für mich auch nicht infrage“, sagt sie. Wo genau Ridder von „Wohnen für Hilfe“, kurz „WfH“, gelesen hat, weiß sie nicht mehr.

Das Wohnprojekt gibt es deutschlandweit – vor allem aber in den Universitätsstädten verbreitet es sich rasch. „In Köln gibt es WfH seit 11 Jahren“, sagt Lilian Brandt. „Dort werden pro Jahr ungefähr 70 bis 80 Studierende vermittelt.“ So viele sind es in Bonn noch nicht. Ohne Beteiligung der Stadt kümmert sich Brandt um Werbung, berät interessierte Vermieter und Studierende und vermittelt diese schließlich. Die Stadt Bonn sei sehr zurückhaltend, da man Probleme mit unseriösen Vermietern befürchte. „Natürlich hört man da immer das Klischee vom alten Mann, bei dem eine junge Studentin einzieht“, sagt Brandt. „Ich kann meine Hand nicht für jeden ins Feuer legen.“ Die Koordinatorin besucht daher alle Vermieter und macht sich ein eigenes Bild von ihnen.

Das ist auch wichtig für die Vermittlung. Interessierten schickt Brandt ein steckbriefähnliches Formular zu, in dem die Studierenden sich selbst und ihre Hobbys vorstellen. Außerdem können sie angeben, welche Arbeiten sie sich zutrauen und was sie ablehnen. Da die Vermieter meist Rentner sind, gehören zum Beispiel Garten- und Hausarbeit oder einkaufen gehen zu den Aufgaben. Manche wünschen sich aber auch einfach nur Gesellschaft. „Im Prinzip können sich auch jüngere Leute mit Wohnraum melden, die Hilfe brauchen – wie Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderung“, sagt Brandt. Bisher sei dies in Bonn aber noch die Ausnahme. „Kaum ein Studierender hat vormittags Zeit, ein Kind zu betreuen.“

Bei den Studierenden sei „Wohnen für Hilfe“ schon nach kurzer Zeit bekannt gewesen. „Mittlerweile übersteigt die Nachfrage das Angebot. Es dürften gerne noch mehr Vermieter sein“, sagt Brandt. Derzeit sind circa 15 bis 20 Prozent der Vermieter männlich; bei den Studierenden ist das Geschlechterverhältnis ausgewogen.

„Viele finden es interessant, so zu wohnen“, sagt Madita Ridder, „man muss aber auch der Typ dafür sein.“ Bei fremden Menschen einzuziehen, die auch noch vielfach so alt sind wie man selbst, schreckt einige ab. Ridder wohnt seit Oktober bei einer älteren Dame in einem 12 Quadratmeter großen Zimmer und zahlt keine Miete, sondern lediglich die Nebenkosten. Eine Einschränkung gibt es allerdings: „Meine Vermieterin hat mir vor meinem Einzug gesagt, dass sie nicht möchte, dass Besuch kommt“, sagt sie.

Bei einem ersten Gespräch können Vermieter und künftiger Mieter sich kennenlernen. „Wichtig ist, dass die Chemie stimmt“, so Brandt. „Dann kann man auch über alles sprechen.“ Nach dem Einzug berät sie die Projekt-Teilnehmer weiterhin und vermittelt gegebenenfalls bei Konflikten. Madita Ridder ist froh darüber, dass sie sich für „Wohnen für Hilfe“ entschieden hat. „Es war vor allem in den ersten Monaten toll, um in Ruhe in Bonn anzukommen, die Stadt zu erkunden und neue Leute kennenzulernen. Von diesem gemeinsamen Wohnen profitieren beide Seiten.“

Infos zu „Wohnen für Hilfe“ online unter: www.wohnenfuerhilfe.info

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