Urherberrecht an der Uni Bonn Eine Frage der Lehre

BONN · Dozenten der Uni Bonn dürfen Studierenden viele Texte ab Januar nicht mehr online zur Verfügung stellen. Der Grund: Streitigkeiten über die Vergütung von urheberrechtlich geschützten Werken. Für die Studenten bedeutet das Mehraufwand.

Studierende haben viel zu tun: Wenn sie ihr Studium in der Regelstudienzeit schaffen wollen, müssen sie pro Semester 30 Credit Points erwerben – das entspricht einem Arbeitsaufwand von 750 bis 900 Stunden. Wenn sie nicht gerade in Seminaren, Übungen und Vorlesungen sitzen, müssen sie zuhause Gelerntes nachbereiten, sich für anstehende Veranstaltungen vorbereiten, in der Bibliothek nach Büchern für das nächste Referat suchen oder die Texte für die kommende Woche lesen. Bisher konnten Studierende der Universität Bonn solche Texte bequem über eCampus, eine Online-Lernplattform der Uni, herunterladen.

Damit ist bald Schluss: Ab Januar 2017 dürfen urheberrechtlich geschützte Sprachwerke nicht mehr zeitlich unbegrenzt zur Verfügung gestellt werden – auch nicht für einen beschränkten Personenkreis wie die Teilnehmer eines Seminars. Diese Regelung betrifft einen Großteil der Texte.

Was zunächst wie ein schlechter Scherz klingt, ist Ergebnis juristischer Streitigkeiten zwischen den deutschen Hochschulen und der Verwertungsgesellschaft Wort, kurz VG Wort, die sich für die Rechte von Autoren einsetzt. Konnten die Hochschulen bisher sämtliche betroffenen Werke nutzen, da die Länder eine Pauschale an die VG Wort zahlten, hat diese den Vertrag nun nicht verlängert. Sie fordert, dass die Hochschulen für jede Nutzung eines Textes zahlen – und zwar 0,8 Cent pro Seite, pro Semester und pro Teilnehmer.

Das Rektorat der Universität Bonn hat sich dazu entschieden, einem solchen neuen Rahmenvertrag mit der VG Wort nicht beizutreten. Die Konsequenzen für Studierende und Lehrende sind gewaltig: „Mir ist bewusst, dass durch die Entscheidung der Universität, dem Rahmenvertrag nicht beizutreten, die Lehre gravierend behindert wird und insbesondere die Studierenden die Leidtragenden sind“, schreibt Uni-Rektor Professor Michael Hoch in einem Rundbrief. „Ich bitte aber um Verständnis für diesen Schritt, denn nur so besteht die Aussicht, in absehbarer Zeit wieder zu verträglichen und praktikablen Verfahren zurückzukehren.“

Damit folgt die Uni Bonn der Empfehlung der Landesrektorenkonferenz. Eine Testphase an der Universität Osnabrück hat zudem gezeigt, dass die neue Regelung mit sehr hohem Aufwand verbunden wäre. eCampus so aufzurüsten, dass das Programm jeden Fall meldet und die Kosten berechnet, wäre sehr kostspielig, heißt es auf der Startseite der Lernplattform.

Die Lehrenden müssen nun schnell sein: Bis zum 31. Dezember können sie ihren Studierenden noch Texte auf eCampus zugänglich machen. Danach müssen sie selbst alle betroffenen Texte löschen. Nicht betroffen sind Videos, Bildmaterial und Tonaufnahmen sowie Texte, für die die Universität Lizenzen besitzt und frei zugängliche Werke. Uni-Rektor Michael Hoch mahnt alle Lehrenden, sich an die neuen Vorgaben zu halten. „Verletzungen des Urheberrechts können erhebliche Folgen für die Verursacherin bzw. den Verursacher, d.h. auch persönlich, nach sich ziehen“, schreibt er.

Eine der Handlungsempfehlungen für Lehrende auf der Seite der Universitäts- und Landesbibliothek sieht vor, Studierenden eine Literaturliste zur Verfügung zu stellen. Für die digitale Lehre ist das ein großer Rückschritt, denn die Zeit, die Studierende ab Januar mit dem Beschaffen von Büchern verbringen werden (und ganze Seminare mit dem Kopieren von Texten), fehlt ihnen vor allem für eins: Für die Beschäftigung mit dem Inhalt der Texte.

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