Kosmos an der Uni Bonn Ein Mammutprojekt auf Humboldts Spuren

BONN · Wissenschaftler der Universität Bonn und des Museum Koenig eifern dem transdisziplinären Ansatz des Universalforschers nach und haben dabei große Ziele auf mehreren Ebenen.

 Ein Objekt des Kosmos-Projekts ist diese Reibschale aus vulkanischem Gestein in Form eines Jaguars. Über die tierische Form erhoffen sich die Wissenschaftler bisher unentdeckte Verweise auf verschiedene Fachbereiche.

Ein Objekt des Kosmos-Projekts ist diese Reibschale aus vulkanischem Gestein in Form eines Jaguars. Über die tierische Form erhoffen sich die Wissenschaftler bisher unentdeckte Verweise auf verschiedene Fachbereiche.

Foto: Grana-Behrens

Es ist ein Vorhaben, das keine Grenzen kennt: Wissenschaftler der Universität und des Museums Koenig wollen anhand Tausender Objekte aus acht Bonner Sammlungen die Idee der Transdisziplinarität wieder aufleben lassen. Ganz nach der Idee Alexander von Humboldts, dass Wechselwirkungen zwischen Menschen, kulturellen Phänomenen und der Natur heute solche Fragen hervorbringen, die allein transdisziplinär lösbar sind.

Nicht ohne Grund ist das Projekt an Humboldts fünfbändiges Großwerk „Kosmos“ angelehnt, in dem er „die Erscheinung der körperlichen Dinge in ihrem Zusammenhange, die Natur als durch innere Kräfte bewegtes und belebtes Ganzes“ darzustellen versuchte. In diesem Fall bedeutet dies: Die wissenschaftlichen Disziplinen lassen die Grenzen untereinander fallen und öffnen sich einer Forschung, bei der – salopp gesagt – alles mit allem zusammenhängen könnte.

Das Kosmos-Projekt läuft über drei Jahre, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer halben Million Euro unterstützt und umfasst im Kern drei Phasen: Zunächst stehen rund 500 vorausgewählte Objekte von jeder der acht Sammlungen im Fokus. Das können Fossilien tierischer oder pflanzlicher Art, archäologische und ethnographische Funde von der Erdentstehung bis zur Gegenwart oder etwas abseitige Dinge wie die Schellackplatten-Sammlung der Musikwissenschaft sein. „Die Bandbreite der 4000 Objekte ist sehr groß“, sagt Projektkoordinator Dr. Daniel Grana-Behrens von der Uni Bonn.

Im ersten Jahr steht die Dokumentation dieses Inventars auf dem Programm. Hierbei steht in einer zweiten Phase besonders die Frage im Raum, welche wissenschaftshistorischen Erkenntnisse sich gewinnen lassen – „denn die Objekte sind teilweise schon kurz nach der Gründung an die Uni Bonn gekommen und im Zuge der Entwicklung der verschiedenen Disziplinen auch mal gewandert“, sagt Grana-Behrens. Beispielsweise zwischen Mineralogie und Paläontologie. Teilweise sind auch erst durch die Objekte aus einer Disziplin mehrere geworden.

„Wir wollen also zunächst die Bonner Wissenschaftsgeschichte erforschen und auch ein Signal an die Uni senden, die Sammlungen umfangreicher zu fördern“, so wie es anderswo bereits praktiziert werde, sagt Grana-Behrens, der sichtbar machen möchte, wie durch die Objekte der Kosmos „Bonner Universität“ hervorgebracht wurde. So viele Informationen von den einzelnen Objekten wie möglich sollen parallel in die Datenbank „WissKI“ eingepflegt werden, die vom Museum Koenig betreut wird.

In der dritten Phase soll es dann verstärkt um die Transdisziplinarität gehen. „Mit Hilfe der Datenbank wollen wir Verbindungen materieller und funktioneller Art zwischen den einzelnen Objekten herstellen, die wir jetzt noch gar nicht erahnen können“, sagt Grana-Behrens. Dabei spielen sowohl die physischen Objekte als auch deren virtuelle Beschreibung und Modellierung eine Rolle.

„Manche Fragestellung lässt sich nicht ausschließlich auf die eine oder andere Weise lösen.“ Bei einer Bronzeaxt könne man etwa ein noch so detailreiches Modell und viele Daten am Bildschirm betrachten, ohne die Haptik würden wichtige Erkenntnisse fehlen: „Nur durch das Gewicht in der Hand sind Menschen einmal darauf gekommen, das leichtere Eisen für Äxte zu verwenden“, erklärt Grana-Behrens.

Durch das Koexistieren der physischen und digitalen Realität würden bei dem Kosmos-Projekt nicht nur Geistes- und Naturwissenschaften, sondern im Sinne der Transdisziplinarität auch Fächer wie die Informatik und Robotik mit einbezogen. „Dahinter steht auch die Frage, wie sich die Beziehung zwischen Menschen und Dingen verändert“, sagt Grana-Behrens.

Ein wichtiges Ziel steht am Ende des Projekts, das von Professorin Karoline Noack, Leiterin der Bonner Altamerika-Sammlung, erdacht wurde und geleitet wird: Wie können die physische und die digitale Realität verknüpft und nach Humboldts universeller Idee in die Lehre eingebracht werden?

Nicht zuletzt soll die Forschungsarbeit aber auch zeigen, wie die universitären Sammlungen die Identifikation der Hochschulangehörigen und Dritter mit der Uni Bonn beeinflussen können und welche nationalen und internationalen Kooperationsmöglichkeiten für die Bonner Sammlungen bestehen. Den Abschluss des Projekts bildet im Jahr 2019 eine Ausstellung, die den Bonner Universitätskosmos und das neu entwickelte transdisziplinäre Konzept vorstellt.

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