Studium für Flüchtlinge Der weite Weg an die Uni

BONN · Ein Studium aufzunehmen ist für Ausländer beschwerlicher als manche positive Einzelfälle suggerieren. Es gibt einfach nicht genügend Qualifikationsmöglichkeiten.

 Für viele Studierwillige Nicht-EU-Ausländer ist ein Studienplatz in Deutschland eine Illusion – die Konkurrenz ist zu groß.

Für viele Studierwillige Nicht-EU-Ausländer ist ein Studienplatz in Deutschland eine Illusion – die Konkurrenz ist zu groß.

Foto: picture alliance / dpa

Das ist der Mustermann in der akademischen Willkommenskultur: Ibrahim Omar, ein 18-jähriger Syrer, der nach einem halben Jahr schon so viel Deutsch kann, um an der Uni ein gebührenfreies Integrationsseminar mit Sprachkurs für Fortgeschrittene, Landeskunde und Tipps für den Studienbetrieb zu absolvieren. Schon ein Vierteljahr später, nach der bestandenen Deutschprüfung für den Hochschulzugang, ist Omar soweit, sein in der Heimat begonnenes Medizinstudium hierzulande fortzusetzen. Er sagt: „Ich bin hier sehr froh und glücklich.“ Omar möchte gern Herzspezialist werden.

Diese Darstellung auf der amtlichen Webseite des bundesweiten Förderprogramms „Integration ins Fachstudium“ ist allerdings nicht die ganze Wahrheit. Verschwiegen werden vielerlei Hindernisse im bürokratischen Dickicht. So hätte Omar zum Beispiel in Bonn keine Chance. Die Uni nimmt zwar am besagten Integrationsprogramm teil, aber nicht für Mediziner und Apotheker.

Überhaupt sind die Aussichten auf einen Studienplatz nicht rosig. Denn in der Medizin und vielen anderen Fächern mit einer Zulassungsbeschränkung (Numerus clausus) sind für Bewerber, die nicht aus Europa stammen, höchstens fünf von 100 Studienplätzen reserviert. Und um die konkurrieren Flüchtlinge mit mehr als 100.000 weiteren Interessenten aus aller Welt.

Anders als der junge Syrer, der offenbar besonders gute Schulzeugnisse vorlegen konnte, müssen die meisten außereuropäischen Studienbewerber, ob Flüchtling oder nicht, auch erst noch ein zweisemestriges Studienkolleg absolvieren und eine Feststellungsprüfung über ihre abiturgleiche Qualifikation bestehen. Bundesweit gibt es dafür rund 3000 Kollegplätze, nachdem Nordrhein-Westfalen 2010, also vor der aktuellen Flüchtlingskrise, seine 1200 Plätze gestrichen hat, so auch in Bonn.

Zwar wurden die Studienkollegs vor Jahrzehnten in erster Linie für Flüchtlinge geschaffen, zunächst aus Ungarn oder Indonesien, dem Iran, dem Nahen Osten und Afghanistan. Dieser humanitäre Zweck ist aber seit den 90er Jahren verblasst, als die deutschen Hochschulen zielstrebig in den globalen Wettbewerb um die besten internationalen Studenten einstiegen. Die entsprechende „Ausländerquote“, möglichst über zehn Prozent aller Studierenden, gilt inzwischen als Qualitätsbeweis.

Indes hat der neuerliche Flüchtlingsstrom die Hochschulen kalt erwischt. Um die Nachfrage an den Studienkollegs der Länder zu dämpfen, finanziert Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) zunächst 2400 Integrationsplätze, davon maximal 40 pro Semester für „geeignete Flüchtlinge“ an der Uni Bonn. So viel Unterstützung erscheint nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Nach ersten amtlichen Schätzungen wollen nämlich zwischen 30.000 und 50.000 Neuankömmlinge möglichst schnell studieren.

Aber mittlerweile zeigt sich zumindest hier und da ein etwas anderes Bild. Von 2600 Asylbewerbern aus der Region Karlsruhe haben nicht einmal zwei Dutzend die Einladung der Uni zu einem Schnupperstudium angenommen. Und auf die Frage, ob es jetzt nicht Zeit für die Wiedereinführung staatlicher Studienkollegs in NRW sei, bekam der Vorsitzende der gleichnamigen Initiative, Oberstudiendirektor Lothar Jansen, vom zuständigen Ministerium die enttäuschende Antwort: Nein, nach wie vor kein Bedarf.

Dementsprechend bezieht sich das eigene Landesprogramm „NRWege ins Studium“ auch allein auf „Flüchtlinge mit direkter Hochschulzugangsberechtigung“, also einem Schulabschluss auf deutschem Abiturniveau. Hingegen können sich für das Integrationsprogramm des Bundes auch private Studienkollegs bewerben.

In Bonn gibt es zwei, auf der Adenauerallee und in der Endenicher Straße. Beide verzichten aber auf staatliche Hilfen. Sie wenden sich vielmehr an Selbstzahler aus Osteuropa, der arabischen Welt und von überall sonst. Der Weg zur Hochschulreife kostet rund 5000 Euro Gebühren pro Kopf und Jahr. Auch Flüchtlinge sind unter den zahlenden Kunden, berichtet Benjamin Effer vom „Rheinischen Studienkolleg“.

Sie haben kriegsbedingt Syrien oder den Irak verlassen und etwa bei der deutschen Botschaft in der Türkei ein normales Studentenvisum oder Studienbewerbervisum beantragt. Private Mittelsmänner helfen gern dabei. Nötig sind etwa die Zusage einer deutschen Hochschule oder eines Studienkollegs sowie der Nachweis von genügend Geld für den Lebensunterhalt. Manche können dabei auch auf Verwandte zurückgreifen, die in Deutschland bereits studiert haben und hier arbeiten.

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