Chemiker feiern in Bad Honnef Bonner Entdeckung wird 150 Jahre alt

Bonn · Chemiker aus aller Welt feiern in Bad Honnef den 150. Jahrestag einer revolutionären Bonner Entdeckung. Die Glaser-Kupplung gehört heute zu den Standardreaktionen im Werkzeugkasten der Organischen Chemie.

Carl Glaser (1841-1935) als Assistent in Gent.

Carl Glaser (1841-1935) als Assistent in Gent.

Foto: Wikimedia Commons

Die „Glaser-Kupplung“? Was ist denn das? Was nach einem filigranen technischen Objekt klingt, ist in gewissem Sinne auch eins: eine chemische Verbindungsmöglichkeit für Kohlenwasserstoffe. Vor 150 Jahren erfand der Chemiker Carl Glaser das nach ihm benannte Verfahren an der Universität Bonn – Grund genug für die Wissenschaftler, ein dreitägiges Symposium hochrangiger internationaler Experten im Bad Honnefer Physikzentrum zu organisieren. An diesem Dienstag geht es zu Ende.

Bis heute spielt die nach Glaser benannte Kupplungsmethode eine wichtige Rolle – nicht nur in der Grundlagenforschung, sondern auch für die Anwendung der Chemie in der Wirtschaft. „Die Glaser-Kupplung stellt eine von Kupfersalzen katalysierte Verbindung zweier Acetylene dar, wie hoch ungesättigte Kohlenwasserstoffe genannt werden“, erläutert Sigurd Höger, Chemieprofessor an der Uni Bonn und Organisator des Symposiums. Sie sei eine Schlüsselreaktion beim Aufbau kohlenstoffreicher Materialien, die in der molekularen Elektronik oder als neue, besonders belastbare Werkstoffe Verwendung fänden. „Darüber hinaus lassen sich die Kupplungsprodukte weiter zu Stoffen umsetzen, die etwa in organischen Solarzellen eingesetzt werden.“

Der Professor setzt das Verfahren in einen größeren Zusammenhang: Die Chemie erforsche die Zusammensetzung und die Umwandlung von Stoffen. Heute nehme diese naturwissenschaftliche Disziplin eine zentrale Rolle in der Wissenschaft, aber auch in der Wirtschaft ein. Die Basis für diese Bedeutung sei jedoch im 19. Jahrhundert gelegt worden. „Damals erlebte die noch junge Wissenschaft eine beispiellose Blüte. Bonn gehörte schon zu dieser Zeit zu den Hot Spots der Chemie und war schon damals mit großen Namen und bedeutenden Entdeckungen verbunden.“ Zu den großen Namen zählt auch der von Glaser, der 1869 im Rahmen seiner Habilitation eine revolutionäre Katalysereaktion herausgestellt habe, mit der man zwei ungesättigte Kohlenwasserstoffe verbinden konnte. „Die Glaser-Kupplung ist heute eine Standardreaktion im Werkzeugkasten der Organischen Chemie“, erklärt Höger.

Was sie so besonders mache, sei ihr robuster Ablauf, der keine besonderen Vorkehrungen erforderlich mache. Die als Katalysator eingesetzten Kupfersalze seien preiswert, der Einsatz aggressiver Reagenzien sei nicht erforderlich. „Das Nebenprodukt der Reaktion ist Wasser. Heute könnte man die Glaser-Kupplung daher als “green reaction„ bezeichnen“, sagt der Professor. Sie eigne sich auch zum Aufbau komplexer Strukturen: „In unserer Arbeitsgruppe haben wir mit ihrer Hilfe molekulare Speichenräder gebaut und beschrieben, die sich mit Hilfe des Rastertunnelmikroskops auch sichtbar machen lassen können.“

Die Berufung an die Universität Bonn 1867 war für den jungen, aufstrebenden Chemiker Carl Glaser übrigens ein Glücksfall. Der gerade in Tübingen promovierte Glaser war vom berühmten Chemieprofessor August Kekulé – der Entdecker des Benzols war eine Koryphäe seiner Disziplin – zunächst als Assistent an die Universität Gent geholt worden. Glaser war seinem Idol dann bei dessen Wechsel nach Bonn nachgefolgt. „Ausgerüstet mit einer vor keiner Arbeit zurückschreckenden Energie und ungewöhnlicher Organisationsgabe, half Glaser seinem Chef, das Bonner Institut einzurichten und in Gang zu bringen“, heißt es 1927 zum 85. Geburtstag Glasers in der Zeitschrift für angewandte Chemie.

Schon beim Mittdreißiger Glaser waren also neben außergewöhnlichen wissenschaftlichen Fähigkeiten auch erstaunliche Macher-Qualitäten sichtbar geworden. Und die sollten ihn in den Jahrzehnten danach zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik (BASF) befördern – kurz nach seiner Bonner Habilitation 1869 ließ sich Glaser nämlich von der Industrie abwerben. „Nicht ohne schweren inneren Kampf“ habe er „auf seine aussichtsvolle, ihm völlige Forschungsfreiheit gewährende akademische Lehrtätigkeit in Bonn“ verzichtet, heißt es 1927 im Lebensrückblick.

Womit Glaser sicher den richtigen Riecher für den enormen Entwicklungsschub bewiesen hatte, den die Industrie aus den damaligen Ergebnissen der chemischen Forschung ziehen konnte. Von seiner eigenen Produktivität an der Bonner Universität sollte genau dieser Aufschwung sicher auch profitieren.

Als Carl Glaser sich am 30. April 1869 in Bonn über „Derivate der Zimtsäure“ habilitiert hatte, klang das Urteil seines Förderers Professor Kekulé auf jeden Fall euphorisch: „Ich nehme meinerseits keinen Anstand, Glasers Untersuchungen über die Zimtsäure für eine der wichtigsten Arbeiten zu erklären, die in der neueren Zeit in der reinen Chemie ausgeführt worden sind“, schrieb Kekulé. Er sei darüber hinaus überzeugt, dass sein Schüler die Chemie noch wesentlich fördern werde. Dass aber sogar ein eigenes Symposium 150 Jahre später speziell die Bonner Verdienste seines Fachkollegen für beider Disziplin ehren würde, dürfte selbst der große Kekulé nicht vorausgesehen haben.

Weitere Infos gibt es unter www.chemie.uni-bonn.de

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