„National Geographic“ dreht vierteilige Doku Bonner Archäologe erstellt 3-D-Modell einer ägyptischen Grabkammer

Bonn · Der Bonner Archäologe Matthias Lang ist dabei gewesen, als nahe Kairo eine ägyptische Grabkammer entdeckt wurde. Nun hat er diese als virtuelles 3-D-Modell dokumentiert. Diese „Kopie“ soll als Grundlage weiterer Forschung dienen und außerdem per Virtual-Reality der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

 Matthias Lang machte seine Aufnahmen in der Totenstadt Saqqara in etwa 35 Metern Tiefe.

Matthias Lang machte seine Aufnahmen in der Totenstadt Saqqara in etwa 35 Metern Tiefe.

Foto: eScience-Center der Universität Tübingen

Wer Archäologie studiert oder dies getan hat, kann von so was meistens nur träumen: Einmal unmittelbar dabei sein, wenn in Ägypten eine antike Stätte erkundet und begangen wird. „Wie einen Sechser im Lotto“ empfindet Matthias Lang heute das, was er von 2017 bis 2019 – immer mal wieder wochenweise – erlebt hat. Damals noch an der Tübinger Uni tätig, gehörte der junge Mann aus dem Ahrtal zur Forschergruppe des Ägyptologen Dr. Ramadan Hussein, die in der Totenstadt Saqqara, etwa 20 Kilometer südlich von Kairo, eine Grabkammer aus der 26. Dynastie entdeckt hat. Ihr Alter wird auf etwa 2500 Jahre geschätzt.

Und weil so eine Geschichte von je her fasziniert und publikumswirksam präsentiert werden kann, hat „National Geographic“ diesen spektakulären Fund zeitweise begleitet. Dabei herausgekommen ist eine vierteilige Doku-Serie mit dem Titel „Königreich der Mumien“, die ab dem 28. Juni immer sonntagabends auf dem TV-Bezahlsender zu sehen sein soll.

Auch Lang, der im vergangenen November von Tübingen an die Uni Bonn wechselte, gehört zu den Protagonisten der Reihe – und der Forschergruppe von Saqqara. Seine Aufgabe war es eigentlich, die Grabanlagen, die zum großen Teil bereits zwischen 1899 und 1948 entdeckt worden waren, zu dokumentieren. Aber plötzlich wurde ohnehin schon Spannendes noch spannender. In einem zuvor nicht untersuchten Areal der Totenstadt entdeckten die Forscher im sogenannten Quadranten K 24 einen 35 Meter tiefen Schacht, der in einer Kammer mündete, von der sechs unberührte Grabkammern abzweigten. In jeder von ihnen stießen die Wissenschaftler auf mehrere Bestattete: Teils lagen die in aufwendigen steinernen Sarkophagen, teils in einfachen Holzsärgen.

In den Sarkophagen fanden sich prächtig verzierte Mumien mit reichen Beigaben. Herausragend waren dabei vor allen Dingen eine Mumienmaske aus Gold und Silber sowie die Kanopen aus Alabaster –  also Gefäße, die Organe der Verstorbenen enthielten. „Aufgrund der Inschriften auf den Sarkophagen und den Kanopen wissen wir, dass es sich bei den in der Anlage Bestatteten um Priesterinnen und Priester handelte, die zur wohlhabenden Mittelschicht gehörten“, sagt Lang.

Doch sobald ein solcher Schacht geöffnet ist, besteht die große Gefahr, dass die wertvollen Funde zerstört werden. „In die gesamte Anlage ist im Laufe der Zeit wohl einmal Wasser eingetreten, was die organischen Materialien stark angegriffen hat, so dass sie vielfach bei der kleinsten Berührung zu Staub zerfielen oder nach einigen Tagen vollkommen von Schimmel überzogen waren“, erklärt Lang. Also musste das Dokumentationsteam schnell handeln, um die Räume und die darin enthaltenen Funde (zumindest) digital konservieren zu können. Und genau dafür ist der 42-Jährige ein Experte. Mit einem 3-D-Laserscanner sowie bildbasierten 3-D-Verfahren konnten die  Wissenschaftler eine hochauflösende virtuelle Kopie der Grabkammern erstellen, die nun als Grundlage weiterer Forschungen dient.

Mit einem besonderen Laser-Scanner aus dem Bestand der Uni Tübingen fertigte Lang zahlreiche Aufnahmen der Grabkammer an. Es entstanden Bilder aus den unterschiedlichsten Perspektiven, um auch alle Details erfassen zu können. Zudem setzte der Wissenschaftler die Technik der Photogrammetrie ein. Dabei werden Objekte mit Hilfe von Licht vermessen. Aus all den – insgesamt hunderten – sich zum Teil überschneidenden Bildern erschuf er so ein virtuelles 3-D-Modell der ganzen Grabkammer.

Für Lang ist dies zudem ein Weg, Erkenntnisse seines Fachs einem breiten Publikum zu vermitteln. „Wer hat schon die Möglichkeit, mal bei der Öffnung und Untersuchung einer ägyptischen Grabkammer dabei zu sein? Unsere Modelle erlauben es, den Forschenden virtuell bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen.“ Noch sind die Modelle nicht veröffentlicht. Die Bonner Wissenschaftler arbeiten jedoch bereits an einer Virtual-Reality-Anwendung, die der Forschung und der Öffentlichkeit frei verfügbar zugänglich gemacht werden soll.

Zur Archäologie mit digitalem Einschlag kam Lang übrigens vor fast 15 Jahren an der Uni Bonn. Dort studierte er Klassische Archäologie und promovierte bei Harald Mielsch zum Thema „Der bunte Himmel – Untersuchungen zu den Tondächern westgriechischer Typologie“. Als Doktorand arbeitete Lang vier Jahre bei Hans Mommsen, Professor am Bonner Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik in der dortigen Abteilung für Archäometrie (das ist die Untersuchung von archäologischen Funden mit naturwissenschaftlichen Methoden und Verfahren). „Da habe ich mich zwangsläufig etwas mehr mit IT und Co. beschäftigen müssen, was damals für einen Archäologen doch eher ungewöhnlich war“, erzählt Lang.

Nach der Dissertation machte er auf seinem wissenschaftlichen Karriereweg Halt an den Unis Bochum, Göttingen und Tübingen. Zwischendurch stand noch ein Forschungsaufenthalt auf Spitzbergen inklusive Eisbär-Spotting auf dem Programm. Nun ist er wieder zu Hause. Aber nicht nur an der Uni Bonn, wo er angehende Archäologen unterrichtet und seit ein paar Monaten das Zentrum für Digital Humanities leitet (siehe Info-Kasten am Ende), sondern auch in Altenahr, wo er aufgewachsen und noch immer Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr ist. Und wenn die Corona-Lage es zulässt, macht er sich im November wieder auf nach Ägypten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat gerade eine erneute Förderung des Projekts beschlossen. Mal schauen, ob dann aus „spannend“ wieder „noch spannender“ wird.

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