Erforschung anderer Kulturen Altamerika-Sammlung der Uni Bonn hat viel zu bieten

Bonn · In der Altamerika-Sammlung der Universität Bonn können Besucher exotische Kulturen kennenlernen. Trotz originalen Exponaten berücksichtigt die Sammlung sich wandelnde ethische Standards - menschliche Reste werden nicht gezeigt.

 Mit kulturellen Zeugnissen Amerikas (zum Beispiel aus dem Regenwald Französisch-Guyanas) befasst sich die Altamerika-Sammlung der Uni Bonn.

Mit kulturellen Zeugnissen Amerikas (zum Beispiel aus dem Regenwald Französisch-Guyanas) befasst sich die Altamerika-Sammlung der Uni Bonn.

Foto: picture alliance / Autumn Sonnic

Zwischen Brautmodegeschäft und Comicladen an der Oxfordstraße gelegen, führt das Schaudepot der Uni-Altamerikanisten ein Schattendasein unter den Bonner Museen. Dabei hat Professorin Karoline Noack den Namen „Bonner Altamerika-Sammlung“ (BASA) extra groß in Signalorange an die Schaufenster kleben lassen. Die Fenster geben den Blick frei auf einen hellen, offenen Raum, der einiges an Exotik in den Bonner Vorfrühling bringt.

Den großen Ausstellungsraum nutzen nicht nur viele der rund 250 Studierenden der Bonner Altamerikanistik für Studientreffen oder Bibliotheksrecherche. Hier können auch fachfremde Besucher einen kleinen Teil der umfangreichen ethnographischen und archäologischen Sammlung vor allem aus Mittel- und Südamerika besichtigen, die von Gründungsprofessor Hermann Trimborn und seinen Nachfolgern seit 1948 angelegt wurde.

Einen guten Grund mehr für einen Besuch gibt es bis Ende Juli mit der aktuellen Ausstellung „maraké – Konfirmation: Wege in die Welt der Erwachsenen“. Wer den Konfirmationsunterricht (vielleicht noch mit Auswendiglernerei von Luthers Katechismus und Bibelsprüchen) etwas langweilig fand, der könnte in dieser Schau das Gespräch mit Jugendlichen der Wayana suchen.

Die Volksgruppe vom Stamm der Kariben in Französisch-Guayana und Surinam pflegt mit dem „maraké“ nämlich einen ganz eigenen Ritus, mit dem Heranwachsende sich als würdig und reif für das Erwachsenenleben erweisen. Eine geflochtene Matte wird um Oberarme, Beine oder Bauch gebunden: Besetzt mit lebenden (und, so eingezwängt, natürlich sehr wütenden) Ameisen, zwingt sie ihren Träger zu einer echten Mut- und Schmerzprobe. „Wahlweise geht es auch mit Wespen“, sagt Jana Brass, die die Ausstellung mit kuratiert hat.

Der „Ekeko“ beschert Bier, Geld, Libido und was man sonst noch so braucht

Etwa 10 000 Exponate liegen im Keller der BASA, schätzt Doktorandin Naomi Rattunde, die die Museumspraktika organisiert. Auf einige Stücke ist Karoline Noack besonders stolz. So zeigt sie auf eine Kette aus bunten Vogelbälgern aus dem Amazonas-Tiefland Ecuadors. 1950 kam sie im Gepäck einer Forschungsreise nach Bonn. „Die Vögel westlich der Anden haben nicht so bunte Federn“, erklärt sie. Darum seien farbige Vogelfedern schon in vorkolonialer Zeit über weite Entfernungen gehandelt worden.

In einer Vitrine voller gruseliger Grabwächter in Tiergestalt zeigt Noack ein eher unscheinbares Trinkgefäß aus der Vari-Kultur. Später haben die Inka es übernommen: Nach Feldzügen tranken sie mit dem besiegten Herrscher rituell aus zwei dieser „Keru“. Die Becher „blieben bei den eroberten Völkern und repräsentierten die Anwesenheit des Inka“, erklärt sie. Das Symbol war so stark, dass die Kerus zur Kolonialzeit als Symbol des Widerstandes verboten waren.

Der „Ekeko“ – ein vorkolumbischer Gott des Glücks und des Überflusses – hat sich der Folklore der Anden bis heute erhalten. Ein schönes Exemplar (ebenfalls aus den 50ern) ist das „Museums-Objekt des Monats“: Ekeko als Männchen mit Hut und einem Bündel all dessen, was man brauchen kann: Mais, Bier, Geld, Musik, Libido. „Inzwischen hat auch in Bolivien eine Emanzipation eingesetzt“, erklärt Noack schmunzelnd: Von einem „anarcho-feministischen“ Frauenkollektiv habe die BASA das seltene Exemplar einer Ekeka erworben, eines weiblichen Ekeko.

Die ethischen Standards haben sich deutlich verändert

Mit Forderungen nach Rückgabe von unrechtmäßig erworbener oder ausgeführter Kunst ist die Sammlung bislang nicht konfrontiert. Im Keller stieß Jana Brass allerdings auf einen Bronzehahn aus Westafrika, angeblich aus dem Königspalast von Benin und auf einer Auktion in London erworben. „Hierzu haben wir nun Experten angesprochen, um mehr darüber zu erfahren, ob hier Ansprüche bestehen könnten“, sagt Noack.

Außerdem lagern im Keller noch diverse Kisten, die seit Jahrzehnten nicht geöffnet wurden. Ein gut verknotetes Kistchen soll Schädelfragmente aus einem vorkolumbischen Grabturm in Bolivien enthalten. „Wir werden den Karton zunächst ungeöffnet zeigen“, erklärt Noack. Schließlich hätten sich die ethischen Standards deutlich verändert. Menschliche Reste sollten grundsätzlich gar nicht mehr gezeigt werden.

Bei den Wayana hingegen stieß das Ausstellungsprojekt auf offene Begeisterung. Vertreter kamen im Vorfeld eigens nach Bonn, um etwa eine hölzerne Schutzscheibe mit magischen Wesen zu bemalen. In den Wayana-Dörfern wird sie im First der runden Gemeinschaftshäuser angebracht und dient als deren magischer Talisman. Das begehbare Modell so einer Hütte ist Zentrum der Schau. Einige der gezeigten handwerklichen Arbeiten waren selbst den angereisten Wayana nicht bekannt. „Sie waren sehr froh, sie hier einmal gesehen zu haben“, so Noack.

Führungen durch die aktuelle Ausstellung „maraké – Konfirmation“: sonntags, 28. April und 19. Mai (jeweils 15 Uhr), mittwochs, 15. Mai und 5. Juni (jeweils 17 Uhr). Individuelle Führungen ab fünf Personen möglich. Anmeldung: basa@uni-bonn.de oder 02 28/73 57 37.

Die Bonner Altamerika-Sammlung im Netz:www.altamerikasammlung.uni-bonn.de

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