Alanus-Ringvorlesung „Liebe“ Studenten führen „Antigone Reloaded“ noch einmal auf

Alfter. · Die anstehende Veranstaltung der Ringvorlesung zum Thema „Liebe“ an der Alanus Hochschule ist eine Theateraufführung. Im Stück "Antigone Reloaded" geht es um die Spannungen zwischen Staatstreue und Geschwisterliebe.

 Was zählt mehr: Die pragmatische Sicherung der Macht oder das Risiko bedingungsloser Liebe? Florian Janik (links), Sulamith Hartmann und Nima Bazrafkan (rechts) stehen in „Antigone Reloaded“ auf der Bühne.

Was zählt mehr: Die pragmatische Sicherung der Macht oder das Risiko bedingungsloser Liebe? Florian Janik (links), Sulamith Hartmann und Nima Bazrafkan (rechts) stehen in „Antigone Reloaded“ auf der Bühne.

Foto: Benjamin Westhoff

Ist Antigone eine Terroristin? Ist Kreon ein Tyrann? So genau will sich Dominik Schiefner nicht festlegen. Der Professor für Schauspiel und Liedgestaltung an der Alanus Hochschule überlässt die Beantwortung der Fragen lieber dem Zuschauer. Unter Schiefners Leitung bringen seine Studenten im Rahmen der Ringvorlesung „Liebe usw.“ das Stück „Antigone Reloaded“ erneut auf die Bühne.

In der Tragödie, geschrieben von Sophokles vor rund 2400 Jahren, möchte Antigone ihren Bruder Polyneikes bestatten. Kreon, Herrscher von Theben, jedoch verbietet dies, da Polyneikes zuvor gegen die eigene Stadt Krieg geführt hatte und so das Vaterland verraten habe. Obwohl Kreon die Missachtung des Verbots mit dem Tod bestrafen will, setzt sich Antigone darüber hinweg, was weitere Folgen nach sich zieht.

Schiefner begründet seine aufgeworfenen Fragen. Antigone widersetzt sich den staatlichen Gesetzen, Kreon erfindet Gesetze, um den Staat zusammenzuhalten. „Unsere Aufgabe ist es, Fragen zu stellen, ohne per se Antworten geben zu müssen“, sagt er. Die soll sich das Publikum selbst suchen. Neben dem Termin im Zuge der Ringvorlesung am Freitag, 22. November (inklusive Publikumsgespräch) hat es auch am Samstag, 23., ab 19.30 Uhr und am Sonntag, 24. November, 18 Uhr, jeweils im Großen Saal auf dem Campus I, Johannishof in Alfter, Gelegenheit dazu.

„Liebe ist der Antrieb von allem“

Bereits im Frühjahr hatten die Studenten die Abschlussinszenierung aufgeführt, nun spielen sie das Stück noch einmal. Als das Thema der Ringvorlesung feststand und Schiefner nach einem Stück suchte, habe sich dieses angeboten, sagt er. Und es passte auch: Eine Wiederaufführung sei ohnehin geplant gewesen.

 Professor Dominik Schiefner.

Professor Dominik Schiefner.

Foto: Oliver Betke

Doch wie passt die Geschichte zu dem Thema? „Liebe ist der Antrieb von allem“, findet Schiefner und sagt mit Blick auf die Motive von Antigone und Kreon: „Es ist die Frage, ob sie sich etwas zuwendet oder gegen etwas richtet.“ Der Untertitel „Staatstreue vs. Geschwisterliebe“ drücke bereits die Verbindung von Antigone zu ihrem Bruder aus. Kreon hingegen handele aus Liebe zum Volk, dieses sei keine objektive Macht.

Daneben finden sich „mannigfaltige Liebesbeziehungen“ in der Geschichte, sagt Schiefner. Der Verlobte von Antigone ist Haimon, der wiederum zugleich Sohn von Kreon ist. Auf der Seite seiner Verlobten stehend, missbilligt er die Alleinherrschaft seines Vaters und fordert ihn auf, seine Meinung in Bezug auf Antigone zu ändern. Ebenso wie Eurydike, die Ehefrau von Kreon, zieht er schließlich Konsequenzen aus dem Verhalten seines Vaters. Antrieb und Motivation sei in allen Fällen die Liebe.

Familiäre Ebene im Fokus

„Wir wollten die Geschichte von der abstrakten Ebene herunterholen“, sagt Schiefner. Aus diesem Grund hätten sie die Antigone-Version des französischen Autors Jean Anouilh von 1942 aufgegriffen, der die familiäre Ebene verstärkt herausgestellt habe. „Es gibt für Antigone ein Recht, das höher steht als der Staat: Die Liebe zu ihrem Bruder“, sagt Schiefner. Die Kernhandlung der 2019er-Version sei jedoch dieselbe wie vor mehr als zwei Jahrtausenden. „Es sind Konstellationen, die gelten auch heute. Die Positionen der Figuren stehen für etwas“, sagt er und verweist auf die doppelte Machtstuktur in der Erzählung: Auf der einen Seite gebe es Machtstrukturen im Staat, auf der anderen Seite stünden die Machtstrukturen innerhalb der Familie.

Zehn Schauspieler verkörpern die Rollen. „Wir wollten keine Karikaturen. Und das bedarf einer psychologischen Auseinandersetzung mit den Motiven der Figuren“, sagt Schiefner über die Herausforderung für die Nachwuchsdarsteller. Gleich drei spielen zusammen die Antigone, was noch einmal ihre Zerrissenheit verdeutliche. „Das Interesse besteht darin, was die Zuschauer gesehen haben und welche Position sie einnehmen.“ Schließlich soll am Ende jeder für sich selbst überlegen, ob Antigone nicht doch eine Terroristin ist oder Kreon ein Tyrann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Mit der Lizenz zum Durchkämpfen
Judo-Olympionikin und Mathe-Professorin Laura Vargas Koch Mit der Lizenz zum Durchkämpfen
Zum Thema
Aus dem Ressort