Botanischer Garten der Uni Bonn Gärtnerin Birgit Emde verrät ihre besten Tricks

Bonn · Birgit Emde genießt ihre Arbeit mit den Pflanzen im Botanischen Garten der Uni. Wenn eine Pflanze mal nicht so gedeiht, wie es gut für sie wäre, kann die Gärtnerin in ihre reichlich mit Erfahrung gefüllte Trickkiste greifen.

 Gärtnerin Birgit Emde weiß sehr viel über ihre Pflanzen. Zum Beispiel, dass der Goldkugelkaktus mit seinen massiven Stacheln auch „Schwiegermuttersessel“ genannt wird.

Gärtnerin Birgit Emde weiß sehr viel über ihre Pflanzen. Zum Beispiel, dass der Goldkugelkaktus mit seinen massiven Stacheln auch „Schwiegermuttersessel“ genannt wird.

Foto: Benjamin Westhoff

Birgit Emde hat genaue Vorstellungen von einem perfekten Vormittag auf der Arbeit. Und der beginnt mit einer Schubkarre. Darin schiebt sie Einheitserde, Bims, Quarzsand, Felsenkies und Kalksplitt ein paar hundert Meter weit durch den Botanischen Garten, vorbei an Gewächshäusern, Pflanzen, die an der frischen Luft gedeihen, und derzeit vielen Baustellen. Es ist ein Slalomlauf. An ihrem Ziel angekommen, füllt sie die körnigen Komponenten, die sie später zum Umtopfen brauchen wird, in Eimer und schleppt sie Stufe für Stufe hoch, bis sie schließlich einen ihrer Wohlfühlorte betritt: das Dachgewächshaus.

Dort oben stehen Pflanzen, die nicht in den Schauhäusern ausgestellt sind und die die Studenten gerne für ihre Beobachtungen und Forschungen nutzen. Birgit Emde mag die Ruhe unter dem Glasdach. „Hier muss ich nicht sprechen, wenn ich nicht möchte und kann vor mich hinbrasseln. Das mache ich am liebsten“, sagt die Gärtnerin.

Während des heißen Sommers waren die 52-Jährige und ihre Kollegen vor allem mit Gießen beschäftigt und haben in einer Hauruck-Aktion auch noch ein 25 Jahre lang eingewachsenes Moorbeet aufgelöst. Klar, dass einiges liegen geblieben ist.

Umtopfen funktioniert nicht bei 30 Grad

Jetzt, da es ab und zu auch mal kühlere Tage gibt, ist das Umtopfen wieder möglich. „Bei 30 Grad mache ich das nicht, denn das bedeutet Stress – für die Pflanzen und für mich“, so die Gärtnerin. Sie ist Expertin für Karnivoren (fleischfressende Pflanzen) und Sukkulenten. Im Dachgewächshaus stehen ausschließlich Vertreterinnen letzterer Art, sie können gut mit Trockenheit umgehen und in ihren Stämmen, Blättern oder Wurzeln Wasser speichern.

Schnell findet Emde mindestens zwanzig Pflanzen, die ein Umtopfen dringend nötig haben. Die Gründe dafür: Eine von ihnen ist zum Beispiel so schön und groß gewachsen, dass ihre Wurzeln zu wenig Platz im alten Topf haben. Oder auf einer Matucana madisoniorum (aus der Familie der Kakteengewächse) hat die einzige Frau in ihrem Team Blätter der Pilea entdeckt. „Die sind nicht gefährlich, gehören da aber einfach nicht hin“, sagt die Expertin und greift zu einer Pinzette, um den störenden Beiwuchs, „das Unkraut“, zu entfernen. Frisch gezupft, soll die Pflanze nun in einen neuen Topf. Dabei erweist sich der Wurzelballen weit weniger stabil als zuvor angenommen, er zerbricht. Kein Problem. Dann hat sie die ganzen Komponenten fürs Umtopfen eben auch nicht umsonst hochgetragen. In die Substrat-Mischung für den neuen Topf gibt sie eine Extraportion Quarzsand. „Der hilft beim Einwurzeln“, weiß und erklärt sie.

Wenn eine Pflanze mal nicht so gedeiht, wie es gut für sie wäre, kann Emde in ihre reichlich mit Erfahrung gefüllte Trickkiste greifen. Sie arbeitet seit rund 32 Jahren in den Botanischen Gärten der Uni Bonn. „Als ich meine Ausbildung hier 1986 begann, war ich so etwas wie ein Versuchskaninchen“, erzählt die Zierpflanzengärtnerin. Eine Frau habe man eigentlich gar nicht haben und einstellen wollen.

Die erste Frau im Team

Doch dann sprach ihr damaliger Meister, Otto Kriesten, die entscheidenden Sätze, an die Emde sich noch heute erinnert: „Sie sehen ja sportlich und kräftig aus. Also versuchen wir es.“ Es ist mehr als gut gegangen. Das Schleppen der schweren Kübel machte der damaligen Handballerin auf Regionalliga-Niveau nichts aus, sie arbeitete sich schnell ein. Zur Komplettierung ihrer Ausbildung musste sie nach zwei Jahren für acht Monate in die sogenannte freie Wirtschaft wechseln. In einem Gärtnerei-Betrieb in Vilich-Müldorf lernte die geborene Oberhausenerin die Massenproduktion von Geranien, Stiefmütterchen, Chrysanthemen und Co. kennen und merkte schnell: „Das war nichts für mich, das wollte ich nicht machen.“ Musste sie auch nicht, denn im September 1989 wurde eine Gesellen-Stelle in den Botanischen Gärten frei und Emde konnte direkt zurückkommen.

Natürlich macht sie sich heute mitunter auch Gedanken darüber, wie lange die schwere körperliche Arbeit noch gut für sie ist. Ihre Fitness trainiert sie jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit, wenn sie die 21 Kilometer von ihrem Wohnort Ittenbach bis nach Bonn radelt – und wieder zurück – und nur für die hügeligsten Passagen im Siebengebirge den Motor des E-Bikes anschaltet.

Oft ist Birgit Emde gefragt worden, ob sie nicht auch ihren Meister machen wollte – das wollte sie nicht und hat sich geweigert. „Das bedeutet zu viel Verwaltungs-arbeit und zu wenig eigentliche Arbeit mit den Pflanzen.“ Doch genau darum geht es ihr. „Ich habe viele Pflanzen hier über die Jahre aufwachsen sehen“, erzählt sie bei einem Spaziergang durch das warme und feuchte Schauhaus der Karnivoren. Das gilt auch für die Nepenthes lowii aus Borneo, von der sie mit Begeisterung spricht.

Neben dem „normalen Insektenfang“ erweist sich diese Kannenpflanze in Sachen Nahrungsbeschaffung als besonders einfallsreich. Ein gelatineartiger Belag auf der Innenseite der Deckel lockt kleine Nagetiere an. Diese naschen von dem klebrigen weißen Schleim und verlieren dabei Exkremente, die wiederum in die Kannen der Pflanze fallen. Das beschert der Nepenthes lowii zusätzliche Nährstoffe. Das Nagetier überlebt diesen Besuch und hat der Pflanze damit sogar noch etwas Gutes getan. Faszinierend. „Mit solchen Pflanzen zu arbeiten, ist mein absoluter Traumjob, den ich nicht gegen irgendwas anderes eintauschen möchte“, sagt Emde.

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