Pioniere der ersten deutschen „Mir“-Mission Familientreffen der Kosmonauten in Ramersdorf

Bonn · Beim DLR-Raumfahrtmanagement in Ramersdorf erinnerten Pioniere an die erste deutsche „Mir“-Mission vor 25 Jahren. Ein Tipp: „Wenn Ihnen jemand eine Weltraum-Mission anbietet, sagen Sie sofort: Ja.“

 Zusammenarbeit im Weltall: Der deutsche Kosmonaut Klaus-Dietrich Flade mit einem Modell der erst sowjetischen, später russischen Raumstation „Mir“ und eines amerikanischen Space Shuttle. Neun Mal dockte das US-Raumschiff zwischen 1994 und 1998 an die Station an.

Zusammenarbeit im Weltall: Der deutsche Kosmonaut Klaus-Dietrich Flade mit einem Modell der erst sowjetischen, später russischen Raumstation „Mir“ und eines amerikanischen Space Shuttle. Neun Mal dockte das US-Raumschiff zwischen 1994 und 1998 an die Station an.

Foto: Martin Wein

„Durch die Luke zu kriechen, war für mich kein besonderer Moment“, sagt Klaus-Dietrich Flade. „Damit wurde nur das nach zahlreichen Gesprächen und Übungen erwartete Realität.“ Flades bescheidene Einschätzung teilt man beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nicht.

Fast auf den Tag genau 25 Jahre nachdem mit dem Starfighter-Piloten Flade am 19. März 1992 der erste Deutsche seinen Fuß in die ursprünglich sowjetische, dann russische Weltraumstation „Mir“ setzte, hatte das DLR die Akteure von damals – darunter eine ganze Riege deutscher und russischer Kosmonauten – zu einer deutsch-russischen Festveranstaltung an den Bonner DLR-Standort in Ramersdorf eingeladen. Flade strahlte: Für den Rüdesheimer war es wie ein Familientreffen.

„Was Sie alle damals geleistet haben, geht weit über Ihre Arbeit als Ingenieure, Piloten oder Wissenschaftler hinaus“, lobte Gerd Gruppe, Vorstand des DLR-Raumfahrtmanagements als Nachfolger der seinerzeit zuständigen Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt. Die Russen hätten Deutschland Anfang der 1990er-Jahre Chancen geboten, die es so zuvor nie gegeben habe. Das habe nicht nur die Forschungslandschaft beflügelt, sondern auch der Entspannung nach dem Kalten Krieg gedient. „Wir haben damals die Friedensdividende eingefahren – und tun das auf der ISS noch heute“, glaubt Gruppe.

Eigentlich waren Flade und sein Kollege Thomas Reiter als Piloten des europäischen Weltraumgleiters „Hermes“ im Gespräch. Doch das Projekt wurde gestoppt. Stattdessen einigten sich Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher und Michail Gorbatschow bei ihrem legendären Treffen im Kaukasus im Juli 1990 auf eine Zusammenarbeit auf der „Mir“.

Nach der offiziellen Vorstellung, nur fünf Tage nach der Deutschen Einheit, bis zum Start, blieben nach der Benennung gerade einmal 15 Monate. „Das waren Zwölfstundentage voller Euphorie“ erinnert sich Flade. Das Spannendste für ihn war, die sonst hermetisch abgeriegelte russische Raumfahrersiedlung Swjosdny Gorodok (deutsch: „Sternenstädtchen“) betreten zu dürfen und dort voll integriert zu werden. Russisch lernte er da praktisch wie im Fluge.

Meilenstein für bemannte Raumfahrt

Schon dort habe er oft mit seinem späteren Kosmonauten-Kollegen Sergei Krikaljow an Bord der Mir telefoniert – per Satellitenschaltung vom Krikaljow'schen Familiensofa aus. Mit über 800 Tagen im All ist Krikaljow bis heute der Mensch mit der längsten Weltraumerfahrung überhaupt. Bei ihrem Treffen in Bonn zeigten sich beide ein Vierteljahrhundert später als alte Freunde.

Und Reinhold Ewald, der Flade bei der Mir-Mission 1997 folgte, verriet, was er im Handgepäck mit in den Erdorbit nahm: Kinderzeichnungen von Sohn Benedikt, damals neun Jahre alt, die dem Papa den Weg durch die Kammern, Schleusen und Module der „Mir“ weisen sollten. Verlaufen hat er sich dabei offenbar nicht – trotz des vielen Wodkas, der bei der Vorbereitung geflossen sei.

Für die bemannte Weltraumfahrt waren die Mir-Missionen Meilensteine, glaubt DLR-Vorstand Gruppe. Sowohl in der Grundlagenphysik – Stichwort Dunkle Materie – als auch in der Materialwissenschaft und der Weltraummedizin habe man auf der Mir und später auf der Internationalen Raumstation ISS große Fortschritte gemacht.

So seien Wissenschaftler durch Salz-Ablagerungen unter der Haut von Reinhold Ewald auf einen Zusammenhang von Salz und dem Abbau von Knochenmasse gestoßen – im All wie auf der Erde. Außerdem könne man in der Schwerelosigkeit den Muskeln und Knochen gesunder junger Menschen beim Abbau zusehen – und zurück auf der Erde beim anschließenden Wiederaufbau. Die Mediziner erhoffen sich dabei Ansätze etwa für die Therapie von Osteoporose.

Dass es in absehbarer Zeit aus Kostengründen nur noch unbemannte Raumfahrt geben werde, glaubt Raumfahrtvorstand Gruppe nicht. Der Vertrag zum Betrieb der ISS wurde erst jüngst bis zum Jahr 2024 verlängert. Und für die Zeit danach arbeite man an verschiedenen Konzepten von kleinen nationalen Laborkapseln bis zu einer großen Station im Mond-Orbit als Vorstufe auf dem Weg von Menschen zum Mars. „Der Mensch wird in Punkto Kreativität und Intuition Maschinen noch für Jahrhunderte überlegen sein“, ist Gruppe sicher. Es komme schließlich immer aufs richtige Timing an und darauf, aus Fehlern das Beste zu machen.

Klaus-Dietrich Flade, der nach seinem sechstägigen Weltraumabenteuer auf der Erde noch 20 Jahre als Testpilot für Airbus in Toulouse tätig war, hat auch einen Tipp für künftige Kollegen parat: „Wenn Ihnen jemand eine Weltraum-Mission anbietet, sagen Sie sofort: Ja.“ Wer erst die Familie fragen müsse, habe sofort verloren. Mit einem schelmischen Blick über die Schulter ergänzt der deutsche Mir-Pionier: „Wenn Sie später die Hose voll haben, können Sie immer noch absagen.“

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