Bonner Enzyklopädie der Globalität Ein Großwerk zum 200. Geburtstag der Uni Bonn

BONN · Bonner Wissenschaftler geben nach fast zehn Jahren Arbeit zu Ehren der Universität die „Enzyklopädie der Globalität“ heraus. Das Werk soll eine neue Visitenkarte der Bonner Alma Mater sein.

Das Universalschlagwort Globalisierung bringen Menschen üblicherweise mit Wirtschaft, weltweiter Kommunikation und Technisierung in Verbindung. Doch das „Zusammenwachsen“ der Welt hat auch eine geisteswissenschaftliche Dimension, die Bonner Professoren in ihrem zweibändigen Werk „Bonner Enzyklopädie der Globalität“ nun herausgearbeitet haben.

Sie wollen darin einen grundlegenden Beitrag zur Neuvermessung geistes- und kulturwissenschaftlicher Begriffe im Zeitalter der Globalität leisten. Das Großwerk ist ein Geschenk an die Universität Bonn zu ihrem 200-jährigen Bestehen, das 2018 gefeiert wird, und soll morgen dem Rektor Professor Michael Hoch übergeben werden.

Treibende Kraft hinter dem Projekt, das auf insgesamt mehr als 1600 Seiten kommt, sind die Professoren Tilman Mayer und Ludger Kühnhardt, die als Autoren und Herausgeber auftreten. Sie haben Lehrende aller geisteswissenschaftlichen Gebiete der Uni Bonn für Beiträge gewonnen und blicken nun, gut zehn Jahre nach der ersten Idee, auf die deutsche Erstausgabe. Mehr als 30 Workshops sind in dieser Zeit im Kollegenkreis über die Bühne gegangen, um das Werk voranzutreiben.

„Das Diskursive stand dabei im Mittelpunkt. Wir wollten nicht nur messen, sondern auch denken und interpretieren“, sagt Kühnhardt. „Wir wollten zeigen, wie Universität im eigentlichen Sinne des Wortes geht, indem wir durch die Enzyklopädie Einheit in der Vielfalt herstellen.“ Will heißen: Aus der ganzen vielfältigen Bandbreite der Fächer und Forschungsgebiete ist Wissen in dieses eine, zentrale Werk geflossen.

Die Macher haben dabei aber ganz bewusst darauf verzichtet, sich bei der Gliederung am Fächerkanon der Universität zu orientieren, sondern sie haben thematische Blöcke gewählt, die sich an der Lebenswirklichkeit des Menschen orientieren. Dabei geht es im Groben um Fragen der Freiheit und der Bildung, der Sprachlichkeit und der Interaktion mit Anderen, des Eigentums und der Arbeit, der Kunst und der Kultur, der Politik und des Rechts sowie der Ethik und der Religion.

Doch was hat all das mit Globalisierung zu tun? Im Zentrum der Enzyklopädie steht die Frage, ob und inwieweit „Europa“ im Zeitalter der Globalität durch Kontinuität und Wandel ein Referenzrahmen für Begriffsbildungen, Symbolisierungen und Sinndeutungen in den Geistes- und Kulturwissenschaften bleibt. Wie verändert Globalität Europa, und wie verändert Europa die Globalität?

„Die Frage ist, wie sich die globale Wende auf die Deutungen der Welt auswirkt“, sagt Kühnhardt. Die Macher sehen sich hier einerseits einer langen Tradition der Uni Bonn verpflichtet und wollen diese andererseits in die Gegenwart übertragen. „Gerade in den Geisteswissenschaften sind viele Fächer in Bonn entstanden“, erläutert Kühnhardt. „Methoden- und Begriffsbildung haben hier stattgefunden.“ Allerdings habe dies im 19. Jahrhundert immer in einem nationalen Kontext stattgefunden.

Später, zu Hauptstadt-Zeiten, habe die Universität die Entwicklung der bundesrepu-blikanischen politischen Kultur mitgeprägt. Nun ist Bonn Uno-Stadt und steht in einem internationalen Kontext. „Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen wollen wir die geistigen Fragen der globalisierten Welt ansprechen und damit eine neue Visitenkarte der Universität abgeben“, sagt Kühnhardt. Die Bonner Wissenschaftler greifen damit also den Reformansatz der Universitätsgründung im Jahr 1818 unter den veränderten Bedingungen einer globalisierten Welt auf und führen ihn in eine neue Zeit.

Es geht den mehr als 100 Autoren dabei aber keineswegs um bloße Wissensvermittlung. Vielmehr soll das Werk nicht nur zum Weiterdenken anregen, sondern Bonner Erfahrungen mit der Welt teilen, um mit dieser in einen Dialog zu treten. Damit dies dann gewissermaßen auch globalisiert geschehen kann, soll im kommenden Jahr die englische Übersetzung vorliegen, pünktlich zum Uni-Jubiläum. „Wir wollen die Sprache der Welt sprechen“, sagt Kühnhardt, der sich folgerichtig auch eine chinesische Variante vorstellen kann. „Das ist aber noch ein ungelegtes Ei.“

Ludger Kühnhardt/Tilman Mayer (Hrsg.): Bonner Enzyklopädie der Globalität. Springer VS Verlag, Wiesbaden 2017, 1627 Seiten, 99,99 Euro.

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