Schnell, schneller, Studnet Als Bonns Studenten Internet bekamen

BONN · Auf studentische Initiative hin entstand vor 20 Jahren ein Glasfasernetz in Bonn. Wissenschaftler profitieren noch heute von einer Datenübertragungsrate, die kommerzielle Anbieter in den Schatten stellt.

 Hier laufen alle Fäden zusammen: An einem geheimen Ort in Bonn blickt Torge Szczepanek auf das Herzstück des Glasfasernetzes.

Hier laufen alle Fäden zusammen: An einem geheimen Ort in Bonn blickt Torge Szczepanek auf das Herzstück des Glasfasernetzes.

Foto: Benjamin Westhoff

Angefangen hat alles mit einer kaputten Telefonanlage: Als Torge Szczepanek 1995 ins Studentenwohnheim Tannenbusch II einzog, waren die 600 Bewohner kommunikationstechnisch gesehen zurück in der vorindustriellen Zeit gelandet. Dass Torge Szczepanek ins Studentenwohnheim einzog, erwies sich allerdings als großer Glücksfall – nicht nur für das Wohnheim, sondern letztlich auch für die Universität und andere wissenschaftliche Einrichtungen in Bonn.

Denn der junge Student sorgte mit einer Handvoll Kommilitonen dafür, dass das für die Wohnheime zuständige Studentenwerk statt in eine neue Telefonanlage in die Einrichtung des damals gerade rudimentär aufkommenden Internets investierte. Und weil sich die Bewohner in einer eigens initiierten Umfrage sehr interessiert zeigten und bereit waren, sich mit einer um 15 Mark erhöhten Miete an den Kosten zu beteiligen, investierte das Studentenwerk fast 500.000 D-Mark in den Ausbau.

Das Besondere: Durch die technische Expertise der Studenten wurden nicht Modems mit Kriechgeschwindigkeiten angeschafft, wie es damals üblich war, sondern in ein zukunftsfähiges, auch heute noch überdurchschnittlich leistungsfähiges Netz investiert. Technisch war die Sache aber zunächst nicht so einfach: „Es gab keine Netzanschlüsse in der Nähe“, sagt Szczepanek. Also wurde eine Laserkanone aufs Dach montiert und eine optische Richtfunkverbindung zum Ulrich-Haberland-Haus aufgebaut, das an das damalige Netz der Universität Bonn angeschlossen war.

Zunächst stand ab Ende 1997 so eine Bandbreite von zehn Megabit pro Sekunde (Mbit/s) im neuen, „Studnet“ genannten Netz zur Verfügung, das damit zehnmal schneller war als die allerersten DSL-Anschlüsse, die erst nach der Jahrtausendwende Einzug auch in private Haushalte fanden. „Das Feedback war ex-trem positiv“, sagt Szczepanek. Denn damalige Standardanschlüsse über Modem oder das etwas schnellere ISDN hätten im Vergleich zur nur um 15 Euro erhöhten Miete ein Vermögen für jeden einzelnen Bewohner gekostet.

Zuhause statt im Labor forschen

Insbesondere ausländischen Studierenden war es so deutlich leichter möglich, Kontakt in die Heimat zu halten, vor allem in die Herkunftsländer im asiatischen Raum, die technisch schon weiter entwickelt waren. Aber auch aus wissenschaftlicher Perspektive war der schnelle Netzanschluss von Vorteil, da keine Rechner in der Universität oder im Labor mehr nötig waren, um etwa auf Datenbanken zugreifen zu können.

Bis zum Jahr 2001 wurden dann durch eine 1999 geschlossene Kooperation von Stadtwerken, Studentenwerk und der Universität, die mit ihren zuvor von der Telekom gemieteten Leitungen unzufrieden war, alle weiteren Wohnheime und auch die Uni-Einrichtungen durch ein eigenes Glas-fasernetz versorgt. Später stießen auch die Max-Planck-Institute, der Verein Deutsches Forschungsnetz oder das Forschungsinstitut caesar hinzu. Selbst die Außenstelle des Max Planck Instituts für Radioas-tronomie mit dem großen Radioteleskop im Eifeldörfchen Effelsberg ist angeschlossen.

Mehr als vier Millionen Euro wurden in den Netzausbau investiert, rund 70 Kilometer Glasfaserkabel wurden völlig unabhängig von den Großen der Kommunikationsbranche unter die Erde gebracht, die Kapazitäten unter den Beteiligten aufgeteilt – so nennt die Uni ihr Netz nicht Stud-, sondern Bonnet.

Der gesamte Prozess wurde auch von Szczepanek und weiteren Studierenden mitgestaltet. Das von ihnen gegründete Studnet war plötzlich sehr groß geworden – und richtig schnell dazu. Schon 2001 wurden Geschwindigkeiten von 100 Mbit/s erreicht; ein Wert, der in der Gegenwart meist das höchste der Gefühle für Privathaushalte ist.

Nach der Promotion kam die eigene Firma

Aus der studentischen Initiative ist schnell mehr geworden, es mussten feste Aufgabengebiete verteilt werden. Während sich Szczepaneks Partner um den konkreten Ausbau des Netzes kümmerte, übernahm er selbst die technische Pflege des Systems. „Das wurde aufgrund der Größe und Komplexität des Systems irgendwann schwierig als Ehrenamt neben dem Studium“, sagt Szczepanek.

Also machte er sich selbstständig und arbeitete während seiner Promotion oft bis zu 16 Stunden täglich, um alles alles unter einen Hut zu bekommen. Gleich danach gründete er seine eigene Firma – heute würde man sagen: als Start-up – und betreut das Netz mit seinem Partner weiter (der kümmert sich mit viel Weitblick und Sinn für Qualität um die Baumaßnahmen, möchte aber im Hintergrund bleiben).

Mittlerweile haben die beiden vergleichbare Glasfasernetze auch an den Hochschulstandorten Bochum, Duisburg/Essen und Paderborn aufgebaut. „Uns ist wichtig, dass Netze gebaut werden, die eine lange Haltbarkeit haben. Das zahlt sich aus“, sagt Szczepanek. Immerhin wird mit der Infrastruktur aus den 90er Jahren schon seit 2006 eine Geschwindigkeit von einem Gigabit pro Sekunde erreicht – das Zehnfache des oberen Standards, den bekannte Unternehmen ihren Privatkunden heute anbieten können.

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