Kommunale Finanzen in Not Wie sich die Schuldenbremse auf Kommunen auswirkt

Berlin · Kristina von Deuverden, Forscherin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), äußert sich im Interview zu den Auswirkungen der Schuldenbremse auf die Kommunen ab 2020.

 Rotstift: Viele Kommunen haben sich einen strikten Sparkurs verordnet.

Rotstift: Viele Kommunen haben sich einen strikten Sparkurs verordnet.

Foto: picture alliance/dpa

Während die fetten Jahre des Wirtschaftsaufschwungs zu Ende gehen, müssen die Bundesländer ab kommendem Jahr wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz konsequent sparen. Je nach Landesrecht gilt die Schuldenbremse auch für die Kommunen. Ein seltsames Zusammentreffen: Gerade in konjunkturell schwächeren Zeiten kann die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand die Wirtschaft stützen. Gibt es einen Ausweg? Ökonomin Kristina van Deuverden vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin plädiert dafür, die Kreditfinanzierung von Investitionen zu erleichtern. Mit ihr sprach Hannes Koch.

Der lange Wirtschaftsaufschwung in Deutschland geht zu Ende. Möglicherweise folgt nun bald eine Rezession, in der Firmen in Schwierigkeiten geraten und Beschäftigte arbeitslos werden. Ist die Schuldenbremse im Grundgesetz deshalb noch die richtige Idee?

Kristina van Deuverden: Bis vor Kurzem war alles ganz einfach. Wegen der guten Wirtschaftsentwicklung stiegen die Steuereinnahmen. Der Bundesfinanzminister brauchte sowieso keine Kredite aufzunehmen. Und auch viele Länder und Kommunen hatten genug Geld, um die Ausgaben zu bestreiten. Jetzt aber kommen wir erstmals in eine Phase, in der sich die Schuldenbremse bemerkbar machen könnte. Wie sie wirkt, wissen wir deshalb noch nicht.

Auch trotz Bremse kann sich die Bundesregierung ja noch ein bisschen verschulden.

Van Deuverden: Ja, aber die strukturelle Neuverschuldung darf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. Das wären augenblicklich etwa fünf bis zehn Milliarden Euro pro Jahr – je nach Berechnung. Davon unterscheiden muss man die sogenannte Schwarze Null. Die bedeutet, dass die Regierung derzeit freiwillig auch auf die erlaubte Verschuldung von 0,35 Prozent verzichtet.

Wird eine Kommune ab dem kommenden Jahr für den Bau einer neuen Schule noch Kredite aufnehmen dürfen?

Van Deuverden: Unter bestimmten Umständen ist das weiterhin möglich. Aber eine solche Finanzierung der Investition darf nicht zu einer strukturellen Neuverschuldung führt.

Was bedeutet „strukturell“?

Van Deuverden: Wenn wirtschaftlicher Normalzustand herrscht, dürfen Länderfinanzminister und Stadtkämmerer nur die Mittel ausgeben, die sie einnehmen. Um beispielsweise die Sozialausgaben zu erhöhen, die Steuern zu senken oder neue Stromleitungen zu bauen, dürfen keine Schulden gemacht werden. Dabei allerdings gibt es Ausnahmen: Naturkatastrophen, schwere Wirtschaftskrisen und konjunkturelle Abschwünge. Dann sind zusätzliche Kredite gestattet, müssen aber nach einiger Zeit auch wieder zurückgezahlt werden.

Wird die Lage für die Kommunen im kommenden Jahr nun schwieriger?

Van Deuverden: Schon heute dürfen sich Städte und Gemeinden eigentlich nicht dauerhaft verschulden. Wie wir wissen, haben viele Kommunen diese Regel nicht eingehalten. Künftig könnten die Landesregierungen ihre Aufsichtspflicht wohl konsequenter ausüben.

Jedes Unternehmen nimmt Kredite auf, um Investitionen zu finanzieren und den Kunden immer wieder gute Produkte anzubieten. Ist das Verbot der strukturellen Staatsverschuldung nicht widersinnig?

Van Deuverden: Diese Diskussion begleitet die Schuldenbremse von Anfang an. Es spräche viel dafür, die Nettoinvestitionen herauszurechnen und sinnvolle Ausgaben für die Zukunft zu ermöglichen. Beispielsweise könnten Kommunen dann Wohnungen, Radwege oder Kitas mit Krediten bauen, weil sie für die nächste Generation ja einen Zusatznutzen bieten.

Was halten Sie von der Idee, die Schuldenbremse zu lockern, weil die Zinsen augenblicklich so niedrig sind und der Staat geliehenes Geld quasi kostenlos bekommt?

Van Deuverden: Das ist ein gefährliches Argument. Es spricht eher dafür, die Regel ernst zu nehmen. Denn man muss davon ausgehen, dass die Zinsen irgendwann wieder steigen – und damit auch die Kosten für staatliche Schulden. Hohe Kredite, heute aufgenommen, sind später möglicherweise nur schwer zu finanzieren.

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