Mehr Transparenz im Online-Handel Wie die EU-Kommission Verbraucher stärken will

Brüssel · Sammelklagen, höhere Strafen gegen Unternehmen, mehr Transparenz bei Online-Käufen: Die EU-Kommission will die Rechte europäischer Verbraucher stärken. Doch bei den Brüsseler Plänen gibt es auch Fallen zu beachten.

Der Titel ist anspruchsvoll: „Ein neuer Pakt für den Verbraucherschutz“ heißt das Sammelsurium an Rechtsinstrumenten, mit denen die EU-Kommission die Rechte des Kunden deutlich stärken will. „Betrügen darf nicht so billig sein“, nannte Justizkommissarin Vera Jourová den Grundgedanken ihrer Vorschläge.

Das beginnt schon beim Einkauf auf einem der großen Marktplätze im Internet. Künftig soll der Bürger vor dem endgültigen Bestellvorgang erfahren, wer hinter dem Anbieter steht: Handelt es sich um eine Privatperson oder ein Unternehmen? Je nachdem, wer als Käufer auftritt, hat die gravierende Folgen für die Konsumentenschutz.

Außerdem müssen die Anbieter offen legen, nach welchen Kriterien sie ihre Angebote auflisten, um zu verhindern, dass eigene Werbekunden den Vorrang bekommen und stets als erstes gelistet werden. Unabhängig vom Standort des Verkäufers gilt auch für Online-Geschäfte – Waren ebenso wie für Dienstleistungen – ein 14-tägiges Rücktrittsrecht.

Keine Erstattung, wenn Ware bereits benutzt wurde

Das betrifft im Übrigen auch Neukunden von sozialen Netzwerken, die innerhalb dieser Frist wieder austreten können – ohne dass sie dort irgendwelche Datenspuren hinterlassen. Allerdings plant die Kommission hier einen deutlichen Rückschritt: Künftig muss ein Verkäufer die Ware nicht mehr erstatten, wenn der Kunde sie bereits benutzt hat.

Doch im Zeichen von Diesel-Gate und Abgasmanipulationen steht ein Instrument besonders im Blickpunkt, das die Kommission nun für die ganze EU einführen will: Sammelklagen. Stellvertretend für alle oder mehrere Geschädigte sollen künftig Non-Profit-Organisationen im Namen der Opfer vor Gericht ziehen und Entschädigungen einklagen können. „Ein solches Rechtsinstrument könnte die Durchsetzung von Verbraucherrechten und damit auf lange Sicht auch die Produktqualität in Europa maßgeblich stärken“, kommentierte Verbraucherschutz-Expertin der SPD im Europäischen Parlament und Vizepräsidentin der Abgeordnetenkammer, Evelyne Gebhardt.

Warnung vor amerikanischen Auswüchsen

Dagegen warnte ihr CDU-Kollege, der EU-Politiker Andreas Schwab, vor amerikanischen Auswüchsen: „Es wäre falsch, sich die US-amerikanischen Sammelklagen zum Vorbild zu nehmen.“ Genau das will auch die Kommission vermeiden und schlägt ein mehrstufiges Modell vor. Im Unterschied zu dem Vereinigten Staaten, wo sich namhafte Kanzleien auf Sammelklagen spezialisiert haben, sollen in der EU lediglich Verbraucherschutzorganisationen tätig werden können. Anders als in den USA, wo Verbraucher sich ausdrücklich dagegen aussprechen müssen, dass sie als Geschädigte von den Anwälten automatisch vereinnahmt werden, soll in Europa jeder Betroffene selbst entscheiden können, ob er der Klage betritt. In der ersten Stufe dürfen die Organisationen die Klage übernehmen, aber nicht gewinnorientiert arbeiten und müssen aber die Finanzierung offenlegen.

Brisante Strafandrohungen

Besonders brisant sind die Strafandrohungen. Denn die Sanktionen können bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes in dem jeweiligen Land betragen. Experten haben errechnet, dass dies im Fall Volkswagen mit einem weltweiten Konzernumsatz von 217 Milliarden Euro 2016 (20 Prozent, also 43 Milliarden, wurden davon in Deutschland erzielt), immerhin eine Geldbuße von rund 1,7 Milliarden Euro bedeuten würde. Verbraucher in weiteren betroffenen EU-Ländern könnten ebenfalls klagen und zusätzliche Entschädigungen erstreiten. Ob der Vorschlag der Kommission die Beratungen übersteht, ist offen. Die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament müssen noch zustimmen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort