Vormarsch der E-Mobilität Verlieren BMW, Daimler und VW ihren Spitzenplatz?

Berlin · Laut Christian Hochfeld, der die Organisation Agora Energiewende leitet, ist die Zeitenwende bei der E-Mobilität eingeläutet. Im Interview spricht er über den Status der deutschen Elektromobilität.

 Autonomes Fahren: Zwei Elektro-Golf von Volkswagen, bestückt mit Laserscannern, Kameras, Ultraschallsensoren und Radar für vollautomatisches Fahren, sind in Hamburg unterwegs. FOTO: DPA

Autonomes Fahren: Zwei Elektro-Golf von Volkswagen, bestückt mit Laserscannern, Kameras, Ultraschallsensoren und Radar für vollautomatisches Fahren, sind in Hamburg unterwegs. FOTO: DPA

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Bis vor Kurzem waren erdölbetriebene VW, Porsche, BMW und Mercedes aus deutscher Produktion weltweit begehrte Produkte. Schaffen die drei großen Autohersteller nun die Kurve bei Elektroautos und autonomem Fahren?

Christian Hochfeld: Den Schuss jedenfalls haben sie gehört. In den kommenden Jahren bringen die deutschen Unternehmen eine ganze Reihe neuer Elektromodelle auf den Markt, auch zu erschwinglichen Preisen und mit akzeptabler Reichweite. Allerdings schläft die Konkurrenz nicht. Weltweit haben verschiedene Firmen angekündigt, in den nächsten fünf Jahren weit mehr als 100 Elektromodelle anzubieten. Und bei der Automatisierung stecken alle – auch die Deutschen - noch in den Kinderschuhen. Besonders die kalifornischen Technologiekonzerne haben ein paar Jahre Vorsprung. Unter dem Strich ist das Rennen deshalb offen.

Angeblich trifft VW-Chef Herbert Diess regelmäßig Cem Özdemir, den grünen Chef des Bundestag-Verkehrsausschusses. Ist das ein Zeichen, dass sich die Haltung der Autoindustrie grundsätzlich ändert?

Hochfeld: Mehr Managerinnen und Manager erkennen, dass die gesellschaftliche Lizenz zum Autobau künftig stark davon abhängt, wie klimafreundlich die Fahrzeuge sind. Man versteht inzwischen auch, dass es weniger Autos braucht, um die Lebensqualität in unseren Städten zu verbessern. Das setzt neue Mobilitätsdienstleistungen voraus, die es ermöglichen, mehr und mehr auf den eigenen Pkw zu verzichten.

Warum scheint plötzlich eine Notwendigkeit zum Wandel zu herrschen?

Hochfeld: Mehrere Phänomene verstärken sich. Die Europäische Union hat zwecks Klimaschutz schärfere CO2-Flottengrenzwerte beschlossen. Die chinesische Regierung verlangt von jedem Autohersteller eine stetig wachsende Quote elektrisch betriebener Fahrzeuge für den inzwischen größten Automobilmarkt der Welt, der bis zur Hälfte des Umsatzes der deutschen Hersteller ausmacht. Außerdem gab es den Diesel-Skandal. All das hat bei den Herstellern das schmerzliche Bewußtsein wachsen lassen, dass der Verbrennungsmotor an sein natürliches Ende kommen wird.

Die neuen Elektromodelle aus deutschen Fabriken kann man begrüßen und trotzdem bezweifeln, dass die drei Großen einen Plan für die komplette Umstellung auf klimaschonende Antriebe verfolgen.

Hochfeld: Mindestens auf der Ebene der Ankündigung hat VW die Zeitenwende eingeläutet. Man erklärt, 2040 den letzten reinen Verbrenner zu verkaufen. Die Richtung scheint klar. Was daraus wird, muss sich zeigen. Das hängt davon ab, ob die Fahrzeuge auch gekauft werden. Damit sind wir bei der Politik. Diese muss den Wandel unterstützen. Noch fehlen die richtigen Rahmenbedingungen: Fossile Mobilität muss teurer, klimafreundliche dagegen billiger werden, etwa durch die Ausrichtung des Steuersystems. Und natürlich brauchen wir jede Menge Ladesäulen für E-Autos.

Kämpft die Autoindustrie nicht in Wirklichkeit darum, den fossilen Verbrennungsmotor noch möglichst lange am Laufen zu halten?

Hochfeld: Der Verbrennungsmotor ist seit seiner Erfindung vor rund 125 Jahren die Cash Cow der deutschen Industrie geworden. Mit dem Antriebswechsel verabschiedet man sich quasi auch vom Lebenswerk vieler Entwickler und Arbeiter bei den Herstellern und Zulieferern. Der Verbrenner bringt auch die Kapitalrendite der Unternehmen. Deshalb betonen Premiumhersteller wie BMW und Daimler die Technologieoffenheit. Zwar will Daimler ab 2039 nur noch klimaneutrale Fahrzeuge auf den Markt bringen, meint damit aber neben reinen Batterieautos verschiedene Technologien wie Plug-In-Hybride oder Wagen mit Brennstoffzelle, die Wasserstoff in Strom umwandeln. Zulieferer wie Schaeffler pochen auf klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe, mit denen auch konventionelle Motoren betrieben werden können. Übersehen wird dabei gerne, dass die Kosten für Wasserstoff und synthetischen Kraftstoff hoch und die Wirkungsgrade bei der Herstellung niedrig sind. Unterm Strich werden deshalb deutlich mehr Windräder oder Solaranlagen benötigt, um klimaneutral unterwegs zu sein.

In welchen Segmenten kann der Verbrennungsmotor später noch eine sinnvolle Rolle spielen?

Hochfeld: Für Pkw ist der batterieelektrische Antrieb absehbar die kostengünstigste Variante. Bei schweren Lkw können Kombinationen aus Verbrennungsmotoren und neuen Antrieben sinnvoll sein. Eine Zukunft haben Verbrennungsmotoren am ehesten bei Flugzeugen und Schiffen.

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