Ungewollter Anbieterwechsel Verbraucherschützer beklagen untergeschobene Stromverträge

München · Am Telefon ist vieles möglich: Verbraucherschützer gehen gerichtlich gegen untergeschobene Lieferverträge vor. Eon beteuert, sich an Gesetze zu halten.

Ein Wechsel des Strom- oder Gasversorgers ist heute dank verbraucherfreundlicher Regularien kein Hürdenlauf mehr. Manchmal flutscht es derart, dass auch derjenige plötzlich einen neuen Anbieter hat, der eigentlich bei seinem alten bleiben wollte. Das prangert zumindest der Verbraucherzentrale Bundesverband und dessen für Energiefragen zuständiges Marktwächterteam an. „Es ist ein bundesweites Phänomen mit Beschwerden, die in die Hunderte gehen“, sagt die Energieexpertin des Teams, Svenja Gesemann. Nach einem Werbeanruf wunderten sich Verbraucher bisweilen, dass ihr alter Stromvertrag gekündigt wurde und sie plötzlich einen neuen abgeschlossen haben sollen. Als Beispielfall haben sich die Verbraucherschützer Eon herausgepickt.

Über diesen Energieriesen lägen besonders viele Beschwerden vor, aber andere Branchengrößen seien nicht viel besser, sagt Gesemann. Gängige Praxis bei Eon sei es offenbar, bei Werbeanrufen am Telefon neue Lieferverträge anzubieten und dabei Daten wie Namen, Adresse und Zählernummer zu erfragen. Während des Gesprächs werde dann eine Vollmacht zur Kündigung des Altvertrags per SMS eingefordert und auch gekündigt, selbst wenn gar keine Vollmacht erteilt wurde – noch nicht einmal per SMS.

Eon bestreitet solche Praktiken. „Den Vorwurf weisen wir von uns“, erklärt der Energieversorger. Man halte sich an gesetzliche Vorgaben eines Lieferantenwechsels und hole Vollmachten zumindest per SMS ein. Damit steht Wort gegen Wort. Denn die Verbraucherschützer halten Eon für einen besonders klaren Fall, der nachweisbar ohne jede Vollmacht zu einem Lieferantenwechsel geführt habe. Die Marktwächter haben den Energieversorger abgemahnt und Klage vor dem Landgericht München erhoben. Das muss nun entscheiden und für Klarheit sorgen.

Untergeschobene Lieferverträge häufen sich derart, dass die Verbraucherschützer dazu sogar eine Studie mit Befragung Betroffener vorbereiten. Sie soll im Herbst fertig sein, wobei das Strickmuster dem geschilderten Eon-Beispiel folgt.

Dabei stand am Anfang ein guter Gedanke. Damit Verbraucher vom Wettbewerb am Energiemarkt leichter profitieren, können sie ihre Verträge seit einigen Jahren unbürokratisch wechseln. Versorger, die als Neulieferant für einen abgeworbenen Kunden beim Altversorger kündigen, dürfen diesem gegenüber dabei zwar auf den Nachweis einer Vollmacht verzichten, nicht aber grundsätzlich auf deren Einholen, erklärt Gesemann. Marktüblich sei aber mittlerweile, dass Versorger schlicht behaupten, dass eine Kündigungsvollmacht erteilt wurde, auch wenn das nicht stimmt.

Betroffene Verbraucher erfahren davon häufig erst nachträglich, wenn eine Auftragsbestätigung für einen nie erteilten Auftrag ins Haus flattert. Zwar bestehe dann eine zweiwöchige Widerrufsfrist, erklärt Gesemann.

Den Aufwand, alles rückgängig zu machen, habe aber der Verbraucher. Falls er zwischenzeitlich im Urlaub war und die zwei Wochen Frist verstrichen sind, gebe es gar kein Zurück mehr. Es gebe auch Fälle, wo der Altversorger seinen Kunden zwar wieder aufnimmt, aber nicht mehr zu den alten Konditionen, sondern neuen und bisweilen kostspieligeren. Bei Verbraucherzentralen sind auch schon Fälle gelandet, wo Kunden am Ende zwei Verträge gleichzeitig haben.

Vollmachten müssten grundsätzlich schriftlich eingeholt werden, um juristisch wirksam zu sein, betont die Verbraucherschützerin. Eine akustische Zustimmung während eines Telefongesprächs reiche dazu nicht. Das gelte auch, falls dieses aufgezeichnet worden ist. „Trotz der kurzen gesetzlichen Frist für die Abwicklung des Lieferantenwechsels muss sichergestellt werden, dass die Rechte der Verbraucher gewahrt bleiben“, stellt Gesemann klar. Die Verbraucherschützer fordern deshalb einen Zusatz zu den Wechselregularien. Die Vorlage einer Kündigungsvollmacht müsse künftig für den neuen Anbieter verpflichtend werden. Sonst bestehe weiter die Gefahr, dass Schindluder mit Verbraucherrechten getrieben wird.

Wie verbreitet die Unsitte genau ist, dürfte diesen Herbst mit Vorlage der Studie klar werden. Dann wollen die Verbraucherschützer auch genauere Zahlen zum Beschwerdeumfang und die Namen weiterer schwarzer Schafe unter den Energieversorgern nennen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort