Handel US-Kaufhauskette Sears pleite

Washington · Nach 125 Jahren steht der Einzelhandelsriese Sears vor dem Aus. Der Onlinehandel hat der Kette schwer zugesetzt. Damit setzt sich der Niedergang namhafter Unternehmen fort.

 Kunden gehen in ein Sears-Geschäft, das geschlossen wird. FOTO: DPA

Kunden gehen in ein Sears-Geschäft, das geschlossen wird. FOTO: DPA

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Jeff Bezos könnte 134 Millionen Dollar Trinkgeld aus der Portokasse zahlen. Es täte dem auf über 100 Milliarden Dollar Privatvermögen geschätzten Chef des Onlinehandelsriesen Amazon nicht weh. Sears dagegen, 1886 gegründet und zeitweise der größte Einzelhändler in den Vereinigten Staaten von Amerika, bricht diese vergleichsweise geringe Summe an kurzfristigen Verbindlichkeiten das Genick.

Die Warenhauskette mit einst rund 90 000 Mitarbeitern meldete am Montag ein spezielles Konkursverfahren an. Bis Jahresende sollen rund 190 Filialen geschlossen und der Rest „restrukturiert“ werden, sagte Edward Lampert, verkündete aber gleichzeitig seinen Rücktritt. Der Konzernchef und milliardenschwere Teileigner von Sears, glaubt nicht wirklich an eine Sanierung, melden US-Wirtschaftsmedien. Langfristig hat sein Unternehmen Schulden in Höhe von 11,5 Milliarden Dollar. Ein Grund: Jeff Bezos und Amazon.

Der Niedergang von Sears fügt sich nahtlos ein in eine Reihe von Pleiten, die den traditionellen amerikanischen Einzelhandel in den vergangenen Jahren gebeutelt haben. JC Penney, die Elektrofachmarkt-Kette RadioShack, der Spielzeugriese Toys R Us, der Traditionsmulti Macy’s, der Buchhändler Barnes & Nobles – große Namen, mit denen mehrere Generationen von Amerikanern aufgewachsen sind, schlossen oder schließen Tausende Filialen, stehen vor dem Aus oder haben den Kampf um die Existenz bereits verloren. Weil immer mehr Amerikaner ihre Besorgungen im Onlinehandel machen, wo Amazon mit einem Marktanteil von rund 45 Prozent der Platzhirsch ist. Allein 2017 legte der Handel via Mausklick in den USA um 16 Prozent zu und erreichte ein Umsatzvolumen von etwa 400 Milliarden Dollar.

Massenweise Arbeitsplätze verloren

Damit gehen im herkömmlichen Metier massenweise Arbeitsplätze verloren. Wie dramatisch die Dimension ist, zeigt eine Zahl: Zwischen 2002 und 2016 fielen nach Regierungsangaben rund 500 000 Arbeitsplätze im Einzelhandel weg. Jobs, die bei durchschnittlichen Stundenlöhnen um die zehn Dollar für viele Amerikaner mit geringer Ausbildung oder Qualifikation eine sichere Einnahmequelle boten. Für sie gibt es kaum Alternativen. Und wenn, dann sind sie noch schlechter bezahlt.

Dazu kommt: Mehrere Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche wurden wegrationalisiert, was in innerstädtischen Lagen zu Leerständen und schleichender Verwahrlosung führt. Auf der Gegenseite stehen laut Statistik „nur“ 180 000 Jobs in der E-Commerce-Branche, die weniger Personal benötigt und ihre Sortimente günstiger anbieten kann. Auch die „Mall“, das lange Jahre für Amerika typische Einkaufszentrum am Rande der großen Städte, ist in Mitleidenschaft gezogen worden. Viele Konsumtempel stehen landesweit leer. Gegen die Bestellübermacht aus dem Internet haben Branchenexperten bereits viele Experimente gesetzt: Spezialisierung auf einzelne Produktlinien, Erlebnishandel oder ebenfalls Rund-um-Internet-Service mit Nischenangeboten.

Erfolge meldet hier der Riese Walmart, Börsenwert um die 250 Milliarden Dollar. Auch Ketten wie Nordstrom, Target und der Schnäppchenanbieter T.J. Maxx meldeten zuletzt gegen den Trend steigende Umsatzzahlen. Walmart geht auch unkonventionelle Wege. In Arizona können Kunden Waren vorbestellen und sie als Passagier in einem führerlosen Wagen abholen lassen.

Von Krise zu Krise

Ob Sears in dieses Spiel noch einsteigen wird, erscheint aus Sicht von US-Medien fraglich. Zu lange schon hangele sich das Unternehmen, dessen Aktie vor zehn Jahren an der Börse mit 120 Dollar notiert wurde (heute sind es 50 Cent), von Krisenintervention zu Krisenintervention. Zwar hat das im US-Bundesstaat Illinois ansässige Unternehmen eine erste Kreditlinie von 300 Millionen Dollar erhalten, um sich effizienter aufzustellen. Während des nun eingeleiteten Gläubigerschutzverfahrens werde das Geschäft auch in der relevanten Weihnachtssaison geöffnet bleiben, hieß es bei Sears. Wie lange aber, das ist offen.

Vor den USA hatte das Unternehmen bereits in gleichem Stil in Kanada die Reißleine gezogen. Es wurde ein schneller Tod auf Raten. Am Ende verloren alle verbliebenen 12 000 Mitarbeiter ihre Jobs.

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