Gedämpfte Erwartungen Streamingdienst Spotify geht eigenwillig an die Börse

Frankfurt · Zum Börsenstart zieht sich die Feststellung des ersten Kurswertes von Spotify über Stunden hin. Auch das sonst übliche Läuten der Börsenglocke bleibt aus.

Kein Foto, kein Läuten der Börsenglocke, keine Interviews. Was sonst üblich ist – dass sich ein Unternehmen und deren Chefs an der Börse in vollem Rampenlicht präsentieren – ist bei Spotify ausgeblieben. Und während sich Börsenhändler in New York langsam auf einen bewegten Börsentag vorbereiten, versuchte Spotify Chef Daniel Ek die Erwartungen kurz vorher sogar noch zu dämpfen: „Ich habe keine Zweifel daran, dass es Aufs und Abs geben wird“, ließ der Schwede im Unternehmensblog des Streamingdienstes wenige Stunden vor dem Börsengang vorsorglich wissen. Die Verzögerung, die sich nach Börsenstart ergab, gibt ihm Recht.

Während sonst innerhalb von höchstens einer halben Stunde der erste Kurs eines Börsenneulings feststeht, zog sich dieser Prozess über mehrere Stunden hin. Das weist darauf hin, dass die Schwankungen und Preisvorstellungen für Spotify-Aktien im Hintergrund weit auseinandergingen – deswegen erwies sich das Errechnen eines ersten Kurses offenbar als schwierig. Kein Wunder, denn Spotify hat insgesamt einen ungewöhnlichen Weg für seinen Börsengang gewählt: Die Direktplatzierung. Bei der platzieren das Unternehmen oder deren Eigentümer ihre Aktien direkt an der Börse, ohne im Vorfeld den Umweg über Banken zu gehen. Es ist das erste Mal, dass dies an der New York Stock Exchange überhaupt passiert.

Das hat dem aus Schweden stammenden Unternehmen nach Schätzungen rund 70 Millionen Euro an Ausgaben erspart. Und: „Es geht hier auch um eine bestimmte Art der Demokratisierung des Investmentverhaltens“, sagt Zacharias Sautner von der Frankfurt School of Finance and Management. „Denn wenn Investmentbanken einen Börsengang begleiten, kommen oft bestimmte, meist größere Investoren zum Zug oder haben einen Vorteil.“

Millionen junge Kunden

Der unkonventionelle, quasi demokratische Schritt passt zu dem Image, das Spotify sich geben will: jung und cool. Denn Spotify hat Millionen von Kunden – und die sind überwiegend jüngeren Alters. Sie konsumieren Musik nicht mehr im Wohnzimmer an der Stereoanlage, sondern über Handys und Tablets – direkt aus dem Netz. Dabei kann das Potenzial sich sehen lassen: 160 Millionen Menschen zählt Spotify zu seinen Kunden, rund 70 Millionen davon sind zahlende Premium-Kundschaft. 2017 konnte Spotify seine Umsätze um satte 40 Prozent steigern.

Allerdings heißt eine solche Expansion nicht automatisch, dass auch die Gewinne sprudeln – im Gegenteil: Im vergangenen Jahr wies der Konzern Verluste in Höhe von 1,2 Milliarden Euro aus. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Verluste dabei sogar mehr als verdoppelt. Das ist zwar nichts Ungewöhnliches für Technologiekonzerne, die auf das Börsenparkett streben – auch der Video-Streamingdienst Netflix hatte beim Börsengang noch Verluste geschrieben und erzielt mittlerweile steigende Gewinne.

"Güterbahnhof für Musik"

Allerdings gibt es zwischen Spotify und Netflix einen grundlegenden Unterschied. Denn Netflix hat es geschafft, sehr erfolgreich eigene Serien zu produzieren, die das Unternehmen verkaufen kann. Auch bei Amazon ist das der Fall. „Bei Netflix oder Amazon kann ich genau sehen, wer was wann ein- oder abschaltet – man kann den Erfolg der eigenen Produktionen messen. Spotify ist im Vergleich dazu nur ein Güterbahnhof für Musik“, sagt Hendrik Leber vom Vermögensverwalter Acatis.

Dabei geht bei Spotify zudem der überwiegende Teil der Gewinne an die wenigen großen Musiklabels, die im Hintergrund noch immer das Zepter in der Hand halten und den Musikmarkt beherrschen. 70 bis 80 Prozent eines jeden Euro verbleiben also nicht bei Spotify. Und schließlich sieht sich Spotify auch noch potenten Konkurrenten in der digitalen Musikvermarktung gegenüber: Google etwa, Amazon, vor allem aber Apple Music.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort