Roland-Berger-Studie Städte können mit ÖPNV in Zukunft Profite einfahren

MÜNCHEN · Eine Untersuchung kommt zum Ergebnis, dass Bus und Bahn durch neue Technologien kaum noch Zuschüsse von Kommunen benötigen. Die vier deutschen Millionenstädte Berlin, Hamburg, München und Köln haben demnach eine realistische Chance, mit ihrem ÖPNV Profite einzufahren.

 Stadtbahnlinie 66 in Beuel: Der ÖPNV ist ein Zuschussgeschäft. Das könnte sich ändern, sagt eine neue Studie von Roland Berger.

Stadtbahnlinie 66 in Beuel: Der ÖPNV ist ein Zuschussgeschäft. Das könnte sich ändern, sagt eine neue Studie von Roland Berger.

Foto: Andreas Dyck

Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist für Kommunen ein Zuschussgeschäft. Im bundesweiten Schnitt trägt er nur drei Viertel seiner Kosten. Jedes Jahr legen öffentliche Kassen rund 3,2 Milliarden Euro drauf, um sie zu decken. Das muss nicht mehr lange so bleiben. „Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, den ÖPNV rentabler und gleichzeitig für die Kunden attraktiver zu machen“, sagt Tobias Schönberg. Er ist Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger. Diese hat in einer Studie mögliche Effizienzeffekte neuer Technologien wie Echtzeitdaten, Elektrifizierung oder autonome Fahrzeuge untersucht und kommt zum Ergebnis, dass sogar ein gewinnbringender Betrieb möglich sei.

Die vier deutschen Millionenstädte Berlin, Hamburg, München und Köln haben demnach eine realistische Chance, mit ihrem ÖPNV Profite einzufahren. In der Kategorie dieser Metropolen hat Roland Berger ein durchschnittliches Einsparpotenzial von 390 Millionen Euro pro Jahr errechnet, was zu einem Kostendeckungsgrad von 105 bis 110 Prozent – also Gewinnen – führen würde. Große Städte von 200.000 bis eine Million Einwohner könnten immerhin so gut wie vollständige Kostendeckung erreichen. Der darunterliegenden Kategorie mittelgroßer Städte schreiben die Berater einen machbaren Kostendeckungsgrad von 90 Prozent zu.

„Nicht alles ist schon einsatz- und marktreif“, räumt Schönberg ein. Das gilt vor allem für fahrerlose Robotertaxis, die auch Roland Berger erst nach 2030 in deutschen Städten fahren sieht. Das meiste aber stehe schon zur Verfügung, betont der Berater und nennt Echtzeitdaten durch Digitaltechnik, Elektrobusse oder Fahrtendienste aller Art. Vorausschauende Wartung mittels Echtzeitdaten sei dabei einer der größten Hebel für effizienten ÖPNV, weil das Störungen im Betrieb drastisch reduzieren kann, Planung erleichtert und Bus oder Bahn damit auch aus Kundensicht attraktiver macht. Allein vorausschauende Wartung könnte die Kostendeckung des ÖPNV in Metropolen um sieben Prozentpunkte steigern, hat Roland Berger errechnet.

Weitere fünf Prozentpunkte könnten durch künftige Robo-Shuttles auf schlecht ausgelasteten Strecken erreicht werden. „Setzen Städte alle vorgeschlagenen Ansätze zeitgleich um, könnte sich die Kostendeckung je nach Größe der Stadt um zehn bis 30 Prozentpunkte verbessern“, sagt Berger-Partner Andreas Schwilling voraus und das ohne Nachteile für Kunden. „Sicher die Hälfte der Effizienzpotenziale sind heute schon erreichbar“, so Schönberg. Er weiß auch, warum diese Potenziale noch weitgehend brachliegen. „Es werden nicht genug zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt.“ Roland Berger schätzt die nötigen Gelder je nach Stadtgröße und deren geografische Gegebenheiten jeweils auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag.

Das dürfte vor allem für arme Städte zu viel sein. Es gäbe aber einen Ausweg. „In Kooperation mit der Industrie wird es billiger“, sagt Schönberg. Er meint damit Zusammenarbeit mit Carsharing-Firmen und Fahrtenvermittlern, Parkserviceanbietern oder Vermietern elektrifizierter Gefährte. In den meisten Fällen würde das eine Kooperation mit Autokonzernen und deren neuen Mobilitätstöchtern bedeuten. Die stünden vielfach in den Startlöchern, um eine deutsche Pilotstadt zu einem Schulterschluss bei der Verkehrsplanung zu begeistern.

Aber hier gibt es eine andere Hürde. Deutsche Verkehrsbetriebe hätten oft noch Berührungsängste mit diesen Partnern in spe, sagt Schönberg. „Es besteht vielfach die Angst, in einer solchen Kooperation die Kundenschnittstelle zu verlieren“, erklärt er. Ohne Einbeziehung dieser Mobilitätsdienstleister jedoch gebe es kein wirklich effizientes Gesamtsystem.

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