Tourismuswirtschaft Spanien ist Krisengewinner

Madrid · Weil die Urlauber derzeit andere Reiseziele wie die Türkei oder Ägypten meiden, konnte sich Spanien im vergangenen Jahr über mehr als sechs Millionen zusätzliche ausländische Feriengäste freuen. Dort herrscht allerdings ebenfalls eine der höchsten Terrorwarnstufen.

Europas Urlauberkarawane sucht Sicherheit: Die Kanaren, die Inseln des ewigen Frühlings, wo man sogar jetzt noch in den Pool oder ins Meer springen kann, platzen in diesem Winter aus allen Nähten. Die meisten Hotels auf Teneriffa, Gran Canaria oder Fuerteventura sind ausgebucht. Die Kassen klingeln, die Hoteliers jubeln. Die spanischen Vulkaninseln, die vor der afrikanischen Westküste im Atlantik liegen und vier bis fünf Flugstunden vom nördlichen Europa entfernt liegen, erleben gerade die beste Saison der Geschichte.

Im Sommer war es die Mittelmeer-Insel Mallorca, die zum Bersten voll war. Mallorca kann aber im Januar nicht mit Badetemperaturen locken, weswegen es dort nun vorübergehend etwas leerer ist. Zwei Seiten des saisonabhängigen Urlaubsgeschäftes in Spanien, das unter dem Strich wie noch nie brummt und historische Rekorde feiert.

Der Spanien-Boom wird vor allem dadurch angefeuert, dass das Land sich in diesen traurigen Terrorzeiten den Ruf erarbeitete, ein ziemlich friedliches Reiseziel zu sein. Das südeuropäische Königreich hat längst begriffen, dass die Sicherheit die beste Werbung ist und wurde so zum großen Krisengewinner am Mittelmeer.

Der spanische Reiseverband Exceltur sprach von einem „Tsunami“ von Touristen, die 2016 lieber nach Spanien als in andere Mittelmeerländer reisten, um dort ihre Ferien zu verbringen. „Geliehene Urlauber“ seien das, sagen Branchenexperten. Also Touristen, die ihren angestammten Reiseländern Türkei, Tunesien, Ägypten oder auch Frankreich vorerst den Rücken zukehrten, weil sie nach den dortigen Terroranschlägen Angst vor weiterer Gewalt haben.

Spanien konnte sich im vergangenen Jahr über einen Zuwachs von rund zehn Prozent oder von mehr als sechs Millionen ausländischen Feriengästen freuen. Nach Schätzung von Exceltur kamen 2016 insgesamt nahezu 75 Millionen internationale Urlauber nach Spanien. Vor allem Briten, Franzosen und Deutsche fliegen auf das Land, sie machen zusammengerechnet schon mehr als die Hälfte des Urlauberheers aus. Der Tourismus ist mit wenigstens zwölf Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Motor der spanischen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes.

Nun rentiert es sich für das Königreich, dessen Gastfreundschaft und Lebensfreude berühmt ist, dass es schon länger keinen Terroranschlag mehr erlebte. Zuletzt hatten baskische Terroristen im Jahr 2009 auf Mallorca zwei Polizisten mit einer Autobombe getötet. Islamistische Terroristen schlugen zum letzten Mal 2004 zu: Damals sprengte ein Kommando in Madrid vier Vorortzüge in die Luft und tötete 191 Menschen.

Spaniens Regierung versucht mit einem gigantischen Sicherheitsaufgebot dafür zu sorgen, dass im iberischen Urlaubsreich ruhig bleibt. „Wir sind vorbereitet“, lautet die Botschaft an Bewohner und Urlauber.

Auf Airports, Bahnhöfen, Einkaufszentren und in Tourismusorten wurde die Polizeipräsenz sichtbar erhöht. Es gilt seit Sommer 2015 die zweithöchste Terrorwarnstufe 4, weil auch gegen Spanien neue Drohungen von Fundamentalisten auftauchten.

Im Frühjahr 2016 hatten auf Mallorca vorübergehend die Alarmglocken geschrillt, weil in Palma ein Terrorverdächtiger verhaftet worden war. Ein 26-jähriger Marokkaner soll Kämpfer für die IS-Terrormiliz angeworben und im Internet zu Terroranschlägen aufgerufen haben. Offenbar ein Einzeltäter, der nach offizieller Einschätzung noch keine Terrorzelle bilden konnte und noch keine konkreten Anschlagspläne hatte. In ganz Spanien wurden in den letzten 18 Monaten 175 mutmaßliche Islamisten festgesetzt, denen ähnliche Terrordelikte vorgeworfen wurden.

Doch auch das sei kein Grund zur Sorge, heißt es im Innenministerium in Madrid. Vielmehr signalisiere dies, dass die spanische Polizei äußerst wachsam sei und die angeordnete verschärfte Überwachung der Islamistenszene Wirkung zeige.

Wenn es gelingt, diese Ruhe im gerade angelaufenen Jahr zu sichern, gibt es wenig Zweifel, dass auch in 2017 im spanischen Königreich wieder alle Touristen-Rekorde gebrochen werden.

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