Rund 800 Baustellen bundesweit So steht es derzeit um die Deutsche Bahn

Berlin · Zu viele Baustellen und Engpässe machen der Deutschen Bahn zu schaffen. Erst im nächsten Jahrzehnt könnte sich die Lage entspannen. Die Gewinne im Regionalverkehr brechen ein.

Zwei Sätze kann Bahnchef Richard Lutz mittlerweile auswendig, so oft hat er sie seit seinem Amtsantritt von eineinhalb Jahren wiederholt. Auch bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz im klimatisierten Saal eines Berliner Hotels dürfen sie nicht fehlen. „Wir müssen bei der Pünktlichkeit besser werden“, lautet der erste. Nur 77,4 Prozent der Fernverkehrszüge kamen im ersten Halbjahr zur vorgesehenen Zeit ans Ziel. Das ist weit entfernt von den 80 Prozent, die der Konzern erreichen wollte. Doch Lutz gibt die Hoffnung auf Besserung nicht auf. „Die Richtung stimmt“, betont der Vorstandschef wieder einmal.

Die Gründe für die Unpünktlichkeit konnten bislang nicht beseitigt werden. Rund 800 Baustellen verzögern bundesweit die Fahrten. Zudem gibt es zu wenige freie Kapazitäten auf den Trassen. Mit einem besseren Baustellenmanagement hat die Bahn schon gegengesteuert. Nun nimmt Lutz noch einmal 100 Millionen Euro in die Hand. Damit soll der Fahrplan stabilisiert werden.

Eine wundersame Besserung wird dies jedoch auch nicht bringen. Die Modernisierung des Netzes dauert noch Jahre. Neue Strecken sind nicht geplant. Selbst wenn, würde es wohl Jahrzehnte dauern, sie zu bauen. Einen Durchbruch soll die Digitalisierung des Streckennetzes ermöglichen. „Digitale Schiene Deutschland“ heißt das Programm, das in den nächsten Monaten konkret beschlossen werden soll. „Es ist ein großer technologischer Fortschritt für den gesamten Bahnsektor“, verspricht Lutz. Am Ende werden die Züge weitgehend automatisch über die Gleise gesteuert. So können sie in kürzeren Abständen fahren. „Wir gehen von bis zu 20 Prozent mehr Zügen aus“, sagt der zuständige Vorstand Ronald Pofalla.

Bemerkenswerter Gewinneinbruch

Zwischen 2020 und 2025 will Pofalla die am stärksten belasteten Knotenpunkte und Trassen technologisch aufrüsten. „Die engste Stelle ist zwischen Köln und Dortmund“, berichtet der Vorstand. Lutz hofft auf ein breites Bündnis aus Industrie, Politik und Verkehrsunternehmen für das Mammutvorhaben. Der Bund steht sicher mit in der Pflicht.

Immerhin strafen die Passagiere die Bahn für die Unpünktlichkeit nicht ab. Im Gegenteil. „Über 70 Millionen Fahrgäste haben im ersten Halbjahr unsere Fernverkehrszüge genutzt“, sagt der Bahnchef. Das sind fast vier Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2017 und stellt einen neuen Fahrgastrekord im Gesamtjahr in Aussicht. „Hinzu kommt, dass die Kundenzufriedenheit weiter gestiegen ist“, erläutert Lutz.

Der Zuspruch auf den langen Strecken ist jedoch die beste Nachricht der Bilanz. Gar nicht gut lief das Geschäft mit Gütertransporten. Die Verkehrsleistung ging hier um fast sieben Prozent zurück. Unter dem Strich kann der Konzern im ersten Halbjahr den Umsatz um 2,3 Prozent auf 21,5 Milliarden Euro steigern. Das Ergebnis vor Steuern ging dagegen um gut 200 Millionen Euro auf 974 Millionen Euro zurück. Bis zum Jahresende will Lutz das Minus weitgehend ausgleichen.

Doch der Gewinneinbruch ist bemerkenswert und nicht nur auf zusätzliche Ausgaben für die Pünktlichkeit oder Sturmschäden zurückzuführen. So zeigt ein Blick in die Bilanzdetails einen Gewinnschwund im lukrativen Regionalverkehr. Im Vergleich zum Vorjahr sind es 100 Millionen Euro weniger. Der Konzern hat offenkundig auslaufende Transportverträge nicht kompensieren können.

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