Britische Währung So profitieren Verbraucher von der Pfund-Schwäche

Berlin · Der Niedergang der britischen Währung bereitet dem neuen Premierminister Boris Johnson Kopfzerbrechen. Er bietet aber auch Chancen für Touristen und Verbraucher aus dem Ausland.

 Einkaufen in London ist attraktiv: Passanten spiegeln sich in einem Schaufenster in der Oxford Street. FOTO: AFP

Einkaufen in London ist attraktiv: Passanten spiegeln sich in einem Schaufenster in der Oxford Street. FOTO: AFP

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Während der neue britische Premier Boris Johnson mit der wirtschaftlichen Zukunft seines Landes pokert, verliert dessen Währung rapide an Wert. Der Trend hat Folgen für die Wirtschaft und die Verbraucher: Während Touristen aus dem Vereinigten Königreich sich ärgern, dass ein Bier am Mittelmeerstrand wechselkursbedingt mehr kostet als früher, eröffnen sich umgekehrt den kontinentaleuropäischen Verbrauchern neue Möglichkeiten für Schnäppchen.

Mit 1,08 Euro pro Pfund erreichte die britische Währung am Montag einen Tiefstand, der nur zur Finanzkrise von 2009 und an einem besonders schlimmen Tag der Brexit-Verhandlungen 2017 unterboten wurde. Währungsexperten rechnen vorerst nicht mit einem Wiedererstarken der britischen Währung, zumal Premier Johnson eine schwache Währung für einen wünschenswerten Vorteil für den britischen Export hält. „Selbst wenn es nicht zum harten Brexit kommt, werden die Unsicherheiten vorerst bestehen bleiben“, sagt Ökonom Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

Doch selbst das Brexit-Desaster hat noch positive Aspekte für einzelne Branchen – und ganz konkret derzeit für individuelle Großbritannien-Fans. Ganz aktuell werden Reisen auf die Inseln durch die Kursentwicklung immer günstiger. Der Trip lohnt sich besonders, wenn Zeit und Geld fürs Shopping drin sind. „Einkaufen in London wird attraktiver“, sagt Gern. Das locke derzeit zusätzliche Touristen an die Themse. London ist zwar immer noch kein billiges Reiseziel – die Nacht im Holiday Inn in der Innenstand kostet immer noch rund zwei Mal mehr als in Berlin. Im Rest des Landes rangieren die Übernachtungspreise jedoch dank Wechselkurs oft unter denen in Deutschland.

Das niedrige Pfund lockt jetzt schon merklich mehr Passagiere ins Vereinigte Königreich. Der Reiseverkehrsspezialist ForwardKeys verzeichnet einen Anstieg der ankommenden Urlauber von sechs Prozent im Vergleich zum Sommer des Vorjahres. „Wir steuern auf ein Allzeithoch von Touristen aus China zu“, stellen Experten des Unternehmens fest. Zugleich sei deren Kaufkraft durch die Wechselkursverschiebungen um fünf Prozent gestiegen.

Die Tourismus-Marketingorganisation „Visit Britain“ rechnet daher für 2019 mit Rekordausgaben von Reisenden auf den Inseln. Die Besucher könnten demnach in diesem Jahr auf Ausgaben in Höhe von 25 Milliarden Pfund kommen, nachdem es im vergangen Jahr 23 Milliarden waren. Visit Britain nennt den Wechselkurs als einen der wichtigsten Faktoren für den Tourismus.

Umrechnen ist leicht: Pfund gleich Euro plus zehn Prozent

In Deutschland freuen sich wiederum vor allem Liebhaber britischer Waren über die Pfundschwäche. Wer sich beispielsweise mit Orangenmarmelade der Traditionsmarke Wilkin & Sons eindecken will, kann sie auf der britischen Amazon-Seite amazon.co.uk halb so teuer erwerben wie bei Versandanbietern in Deutschland. Auch ein Blick in die Schnäppchen-Ecke des Onlinehändlers lohnt sich. Das Umrechnen geht inzwischen im Kopf: Pfund gleich Euro plus ein Zehntel.

Generell werden Artikel aus dem Königreich jedoch auch auf ihren regulären Vertriebswegen auf dem Kontinent günstiger, beispielsweise im normalen Supermarkt. Schließlich stehen auch die Importeure unter Druck, ihre Preise an den Wechselkurs anzupassen. Das alles gilt zumindest noch, solange die Briten im Binnenmarkt sind. Nach dem Austritt können je nach Produktgruppe verschieden hohe Zölle und Kosten für Bürokratie greifen. Vor allem ein harter Brexit würde die Waren wieder teuer machen.

Für Fans britischer Popkultur öffnet sich auf diese Weise ein Zeitfenster, in dem die Bestellung spezieller Fanartikel noch problemlos möglich ist, das Pfund aber bereits sehr billig gehandelt wird. Die zehnte Staffel der Neuauflage der BBC-Serie „Dr. Who“ auf DVD kostet bei Direktbestellung in UK beispielsweise 21 Pfund, während in Deutschland dafür 35 Euro zu berappen sind. Aktuelle Serien kosten hier wie dort allerdings meist das gleiche, weil der Binnenmarkt Preisänderungen eben effektiv weitergibt.

Die Vorteile betreffen auch generell fast nur noch Produkte, die auch wirklich aus Großbritannien kommen. Internationale Konzerne passen ihre Preise auf kurz oder lang ebenfalls an die Währungskurse an. Deshalb kosten beispielsweise Tablets von Samsung im Vereinigten Königreich derzeit trotz des niedrigen Pfunds etwas mehr als in Deutschland. Hier zeigt sich auch ein dicker Nachteil des Brexit für die britischen Verbraucher. Die Pfund-Schwäche macht alle Waren aus dem Ausland teurer – von Wein aus Frankreich über Turnschuhe aus den USA bis zu Elektronik aus Asien.

Auch die Hoffnung britischer Politiker, sich mit dem schwachen Pfund einen Vorteil zu verschaffen, erfüllt sich nur bedingt. „In den Exportmengen hat sich die Entwicklung in der Vergangenheit nicht niedergeschlagen“, sagt Ökonom Gern. Die Firmen und Händler haben die günstigeren Preise eher genutzt, um ihre Gewinne zu erhöhen, statt ihre Waren preiswerter anzubieten.

Die Entwicklung der britischen Währung spiegelt generell den Niedergang der britischen Wirtschaft und die geringere Geltung des Landes wider. IfW-Ökonom Gern spricht von einem „Trauerspiel“: In den Sechzigerjahren lag der Kurs des Pfunds noch über zehn D-Mark. Vor 20 Jahren war ein Pfund immerhin noch 1,77 Euro wert. Seitdem hat die britische Währung 38 Prozent verloren.

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