Essener Stromproduzenten Steag Müllkonzern Remondis will das Ruhrgebiet erobern

Essen/Lünen · Der Müllkonzern Remondis greift nach der angeschlagenen Essener Stromproduzenten Steag. Dabei setzt er auf die Finanznot der Revierstädte.

Plastikmüll stapelt sich in einem Lager von Remondis in Lünen.

Plastikmüll stapelt sich in einem Lager von Remondis in Lünen.

Foto: picture alliance/dpa

"Multi Utility“, alle Versorgungsleistungen aus einer Hand – so hieß einst der Anspruch der deutschen Energiekonzerne. Die Strategie scheiterte. Jetzt plant ausgerechnet der Entsorgungskonzern Remondis eine Wiederbelebung. Die Müll-Tochter der in Lünen ansässigen Rethmann-Gruppe (15 Milliarden Euro Umsatz, 154.000 Mitarbeiter) möchte den Essener Stromproduzenten Steag (2,9 Milliarden Euro, 6600 Mitarbeiter) erwerben. Sollte dem Remondis-Konzern das gelingen, wäre er einer der führenden Spieler der Energie- und Wasserwirtschaft. Er unterhält bereits Wasserdienstleister und versorgt knapp 16 Millionen Menschen mit Trinkwasser.

Die Chancen für den Coup des größten europäischen Müllentsorgers stehen nicht schlecht. Denn der Steag, bislang in der Hand der Holding KSBG, in der sechs klamme Ruhrgebietsstädte ihre Anteile bündeln, geht es schlecht. Statt Millionengewinne abzuwerfen, auf die Dortmund, Duisburg, Essen, Dinslaken, Oberhausen und Bochum beim Kauf hofften, wurde Steag zum Renditekiller. Die meist mit Steinkohle betriebenen Kraftwerke, die Steag an acht Standorten unterhält, passen nicht mehr in die politische Landschaft.

Der Steag-Gewinn schumpfte von knapp 60 Millionen (2017) auf nur noch 12,7 Millionen Euro, der Umsatz ging von 3,6 auf 2,9 Milliarden Euro zurück. Richtig dramatisch dürfte es 2019 werden. So ist allein im ersten Halbjahr die Steinkohleverstromung um 26 Prozent eingebrochen, in den Monaten Juli und August ging sie gegenüber dem Vorjahr laut interner Zahlen sogar um die Hälfte zurück.

Jetzt muss Remondis nur noch warten, dann dürfte dem Konzern die Steag wie eine reife Frucht in den Schoß fallen. Im kleinen Kreis, so berichten Insider, prahlte Unternehmenschef Ludger Rethmann bereits damit, dass er „die Steag im Sack“ habe. Zweiflern machte er unmissverständlich deutlich: „Das wollen wir, und das bekommen wir.“

Einen Partner hat Rethmann in Guntram Pehlke, Chef der Dortmunder Stadtwerke, die über die KBSG zu 36 Prozent an der Steag beteiligt sind. Pehlke und Rethmann würden dem Vernehmen nach gern einen neuen Revier-Riesen schmieden. In einem Remondis-Papier, aus dem die „Ruhr-Nachrichten“ zitieren, ist von der Gründung einer Westfälischen Energie und Wassergesellschaft (WEW) die Rede, die mit den Töchtern Steag, Gelsenwasser und der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung (DEW) auf einen Jahresumsatz von zehn Milliarden Euro käme. Nach dem Plan würden die Dortmunder ihre kommunalen Versorgungsbetriebe in den neuen Konzern einbringen, während Remondis die Anteile der fünf verkaufs willigen Ruhrgebietsstädte an der Steag übernehmen würde.

Remondis schlägt den Kommunen einen Deal vor: Das Müllunternehmen kauft die Steag zu einem symbolischen Euro und übernimmt dafür die Ablösung von dessen Krediten. In Essen stößt der Plan durchaus auf Sympathie. „Das Ding muss weg“, heißt es in der Stadtverwaltung. Die anderen Eigentümer zögern, eine Anschlussfinanzierung in Höhe von 353 Millionen Euro für einen 2020 fälligen Kredit hat die Beteiligungsgesellschaft KSBG Anfang Juli bis 2023 sichergestellt. Dazu geben die Kommunen zähneknirschend ein Darlehen von 100 Millionen Euro.

Remondis spekuliert auf genehmigte Kraftwerksflächen, auf denen man nach dem Ausstieg aus der Kohle etwa Müllheizkraftwerke oder Ökostrom-Anlagen bauen könnte.

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