Marktführer in Deutschland Konflikte bei Windanlagenbauer Enercon

BERLIN · Die Vizechefin des Vorstandes bei Enercon geht. Der größte Windanlagenbauer Deutschlands macht bislang noch fast alles selbst. Jetzt gibt es allerdings Streit um die zukünftige Strategie.

 Wartungsarbeiten an einer Enercon-Windkraftanlage.

Wartungsarbeiten an einer Enercon-Windkraftanlage.

Foto: picture alliance / dpa

Deutschlands größter Windanlagenbauer Enercon steckt in Turbulenzen. Nach Konflikten um die Geschäftsstrategie hat die bisherige Vizevorsitzende des Vorstands, Nicole Fritsch-Nehring, aufgegeben. Enercon ist nach wie vor Marktführer in Deutschland, aber der Vorsprung zur Konkurrenz nimmt ab.

„Auf eigenen Wunsch“ lege Fritsch-Nehring ihre Funktion bei Enercon zum 31. Oktober nieder, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Die Managerin war bisher Vize-Chefin der Aloys Wobben Stiftung, in der der Gründer seine Gesellschaftsanteile gebündelt hat. Zugleich leitete sie als Geschäftsführerin die Konzerngesellschaft, die das operative Geschäft führt. Vorstandschef Hans-Dieter Kettwig und Simon-Hermann Wobben, ein Neffe des Gründers, werden Fritsch-Nehrings Aufgaben nun übernehmen.

Zu den Gründen des Abgangs machte die Firma keine Angaben. Offenbar war es aber zu Differenzen über den weiteren Weg des Unternehmens gekommen. Über Fritsch-Nehring wird berichtet, dass sie internationales Personal in die Führungsebenen nach Aurich holte. Dies haben manche wohl als Bedrohung und Abweichung vom gewohnten Kurs empfunden.

Enercon macht fast alles selbst

Bisher ist Enercon ein oftmals patriarchal geführtes Unternehmen, in dem das Wort des Gründers und seiner Vertrauten Gesetz war. Zudem gab es möglicherweise Auseinandersetzungen darüber, welche Aktivitäten Enercon selbst durchführen und welche man an externe Dienstleister auslagern solle. Beschäftigte berichten, dass im Vergleich zu früher mehr Logistik- und Wartungsaufträge an Fremdfirmen vergeben würden. Ein Unternehmenssprecher sagte dagegen, die Einbindung von Dienstleistern sei „nichts Neues“.

Heute macht Enercon noch fast alles selbst. Das reicht von der Produktion der Türme für die Windanlagen, der Generatoren und Rotorblätter bis zu Aufbau und Wartung der Kraftwerke. Die Fertigungstiefe soll damit etwa 80 Prozent betragen. Die Firma lebt von hoch entwickelten, dafür aber auch relativ teuren Anlagen. Die rund 20.000 Beschäftigten erwirtschafteten 2014 einen Umsatz von rund fünf Milliarden Euro, wobei 500 Millionen Euro als Gewinn übrigblieben. Derart hohe Umsatzrenditen erzielen nicht viele Firmen.

Allerdings schmilzt der Vorsprung. Im deutschen Markt ist Enercon vor allem der Konkurrent Vestas auf den Fersen. Im weltweiten Geschäft sank Enercons Marktanteil von fast zehn Prozent 2013 auf fünf Prozent in 2015. Dabei mag eine Rolle spielen, dass teure Anlagen weniger Abnehmer finden, weil unter anderem Deutschland die Finanzierung der erneuerbaren Energien von festen Fördersätzen auf Ausschreibungen umstellt. Billigere Kraftwerke bekommen dann eher den Zuschlag als teure. Vielleicht sind die goldenen Zeiten in Aurich bald vorbei.

In der Vergangenheit ist die Firma nicht nur als Vorzeigeunternehmen der Energiewende aufgefallen. Gewerkschafter und manche Betriebsräte beschwerten sich, dass sie im Reich der Wobbens nicht ihrer normalen Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter nachgehen könnten.

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