Kennzeichnung von Lebensmitteln Klöckner ist überraschend für Nährwertlogo

Berlin · Sie wirkt bereits, wo sie von den Gesundheitsbehörden empfohlen wurde: die Lebensmittelampel Nutri-Score, die künftig auch hierzulande auf Chips, Fertiggerichten oder Schokoriegeln prangen soll.

Klöckner überrascht mit Nährwertlogo
Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Grün steht dann für gesund, rot für das Gegenteil. Bestes Beispiel: Frankreich. Die dortige Supermarktkette Intermarché hat unlängst angekündigt, die Rezepturen für 900 Produkte der eigenen Marke zu verändern, so dass die ungesündesten aus den Regalen verschwinden. In Deutschland soll die Ampel jetzt auch kommen, erklärte CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner am Montag. Es ist eine Überraschung. Eine Geschichte des Streits geht zu Ende, zumindest vorerst.

Die Lebensmittelindustrie in Deutschland hatte sich über Jahre mehrheitlich gegen Farben und Gesamturteile auf Chips, Fertiggerichten, Süßigkeiten gewehrt, die helfen sollen, gesundes Essen im Supermarkt besser zu erkennen.Dabei haben die Deutschen ein schwerwiegendes Problem: Zwei Drittel der Männer und gut jede zweite Frau in Deutschland gelten als übergewichtig oder adipös, also fettleibig. Bluthochdruck, Schwierigkeiten mit Herz, Kreislauf, den Gelenken und Diabetes drohen. Das hängt freilich nicht nur mit dem Essen zusammen, aber auch. Ein klassischer Rewe- oder Edeka-Supermarkt führt knapp 10 800 verschiedene Artikel. Selbst wer auf Gesundes achten will, steigt durch die oft klein geschriebene Nährwertalgebra auf der Rückseite all der Packungen nur schwer durch.

Doch Ministerin Klöckner äußerte sich immer wieder skeptisch gegenüber vereinfachten Darstellungen. Spätestens als sie dann ein Video öffentlich machte, in dem sie mit dem Deutschland-Chef des weltgrößten Nahrungsmittelkonzerns Nestlé vor der Kamera stand und sein Unternehmen dafür würdigte, dass es den Zucker-, Salz und Fettgehalt seiner Lebensmittel reduziert habe, stand sie in der Kritik, der Industrie näher zu stehen als den Verbrauchern. Zumal sie sich Zeit nahm für ihre Entscheidung.

Nicht nur in Frankreich, auch in anderen Länder wie Belgien oder der Schweiz hatten die Gesundheitsbehörden längst das Nutri-Score-System empfohlen. Einige Hersteller in Deutschland waren ebenfalls schon weiter. Der französische Danone-Konzern kennzeichnete im Februar diesen Jahres erste Produkte wie die "Fruchtzwerge" mit der fünfstufigen Ampel. Auch der Fischstäbchen-Hersteller Iglo machte mit.Ärzte, Verbraucherschützer, Sozialdemokraten sprachen sich für das Modell hierzulande aus. Königin und König Kunde, so hatten da bereits Studien gezeigt, verstehen die Ampel besser als andere Nährwertkennzeichen.

Für das Modell haben Ernährungsexperten ein Punktesystem entwickelt: Günstige und ungünstige Nährwertbestandteile werden bewertet und dann verrechnet. Plus gibt es für Ballaststoffe, Proteine, Obst und Gemüse, Minus für einen hohen Gehalt an Kalorien, Zucker, Fett oder Salz. Am Ende wird das Lebensmittel dann in fünf Stufen bewertet mit Buchstaben, die farblich unterlegt sind - vom grünen A für günstige Nährwerte bis zum roten E für Lieber-die-Finger-davon- lassen.

Klöckner aber ließ von der Berliner "Info GmbH Markt- und Meinungsforschung" in diesem Sommer noch einmal 1600 Bürgerinnen und Bürger befragen. Insgesamt standen vier Logos zu Auswahl. Diese waren:Ein Entwurf der Lebensmittelbranche mit farblich hervorgehobenem Kreisdiagramm für die einzelnen Nährwerte.

Der Wegweiser Ernährung, entwickelt vom zum Agrarministerium gehörenden Max-Rubner-Institut. Beim Wegweiser werden Sterne für den Nährwert der Lebensmittel vergeben und zusätzlich die ungünstigen Inhaltsstoffe wie Salz, Zucker und Fett je 100 Gramm angezeigt. Das in skandinavischen Ländern eingesetzte Schlüsselochzeichen, eine reine Positivkennzeichnung, heißt: das Logo - weißes Schlüsselloch auf grünem Grund - gibt es nur für gesündere Produkte.

Die Nährwertampel, die sich einmal mehr als das Modell herausstellte. Sie sei "auf den ersten Blick erfassbar, leicht zu verstehen und nutzt die eingängige, bereits gelernte Farbwelt einer Ampel", erklärte Klöckner nun.Wenn die Bundesregierung Nutri-Score offiziell in Deutschland erlaubt - Klöckner will dazu im Oktober eine Verordnung vorlegen -, werden nicht zwangsläufig alle Produkte das Label tragen. Aufgrund von EU-Vorgaben bleibt es den Herstellern freigestellt, ob sie Einkaufshilfe drucken.

"Die Nutri-Score-Ampel ist der Goldstandard unter den Nährwertkennzeichnungen", erklärte die Verbraucherorganisation Foodwatch - und machte schon mal Druck. Sie forderte "sämtliche Lebensmittelhersteller und den Handel von Aldi bis Zott" auf, mitzumachen.

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