Klimapolitik Kein Zeichen für den Klimaschutz

Brüssel · Die EU kassiert eine Forderung nach einer weiteren CO2-Reduzierung klammheimlich wieder ein. Eigentlich hätten die europäischen Umweltminister bei ihrem nächsten Treffen darüber entscheiden sollen.

Lange bekannte sich die EU zum Ziel eines ehrgeiziges Klimaschutzes. Doch die Zeit großer Versprechungen scheint vorbei. Brüssels zuständiger Kommissar kassierte klammheimlich eine Vorlage wieder ein. Und bei den Abgas-Grenzwerten für Pkw droht eine weitere Niederlage der ambitionierten Umweltpolitiker.

Es sollte ein Zeichen der EU für den Klimaschutz sein. Die Mitgliedstaaten könnten versprechen, das Treibhausgas Kohlendioxid bis 2030 um 45 Prozent (im Vergleich zu 1990) abzubauen. Das hatte Miguel Arias Canete im August angekündigt und seither für diese ambitionierte Linie geworben. Nachdem US-Präsident Donald Trump den Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klima-Abkommen angekündigte, müsse die EU bei der Nachfolgekonferenz im polnischen Kattowitz im Spätherbst ein Zeichen setzen. Doch unmittelbar vor dem Treffen der EU-Umweltminister am 9. Oktober nahm Canete die Forderung klammheimlich von der Tagesordnung, wie die Vorlage für die Minister zeigt. Dabei sollte es sich ohnehin nur um ein Symbol handeln. Bisher hatten die EU-Familienmitglieder eine Reduzierung um 40 Prozent zugesagt, die zusätzlichen fünf Prozent wären allein durch das strikte Befolgen der beschlossenen Maßnahmen für mehr Ökoenergie und Energieersparnis zustande gekommen. Aber mehrere Regierungen bremsten – allen voran die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie beugte sich den Forderungen der Industrie. „Canete zeigt sich schwach in einem Moment, in dem er Stärke zeigen sollte“, kommentierte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms. Zumal sie ahnt, dass dieser klimapolitische Rückzug nicht der einzige bleiben wird.

In der kommenden Woche beschließt die europäische Volksvertretung ihr Verhandlungsmandat für die Gespräche mit den Mitgliedstaaten über neue Abgas-Grenzwerte für Pkw ab 2021. Während die Kommission für eine Senkung der CO2-Emissionen aus dem Auspuff um 30 Prozent eintritt und der Dachverband der europäischen Autoindustrie 20 Prozent angeboten hatte, forderte der Umweltausschuss satte 45 Prozent (wir berichteten). Und schon dieser Grenzwert war nur ein Kompromiss: Einige Verbände hatten eine Reduzierung um bis zu 70 Prozent vorgeschlagen. Egal, wofür sich die Abgeordneten im Plenum des Parlamentes am nächsten Mittwoch aussprechen – sie wissen bereits, dass es keine Mehrheit im Kreis der EU-Regierungen geben wird. Schuld daran ist erneut Deutschland. Zwar wollte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) die ambitionierten Ziele mittragen, steckte jedoch nach einem Streit mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zurück. Der will mit Rücksicht auf die Autobauer lediglich „realistische Grenzwerte“ zulassen. Damit scheint eine Ablehnung der hohen CO2-Vorgaben sicher: Nach Angaben aus Kommissionskreisen waren 19 Staaten bereit, eine Senkung des CO2-Ausstoßes für Neuwagen ab 2021 um 40 Prozent mitzutragen. Aber diese Länder repräsentieren nur 64 Prozent der EU-Bevölkerung. Notwendig wären 65 Prozent – die sogenannte doppelte Mehrheit. Deutschlands Gegenwehr blockiert alle.

Somit hätte Berlin gleich zwei der besonders wichtigen EU-Regelungen für den Abbau von Kohlendioxid gestoppt, falls es nicht doch noch zu einem Kompromiss zwischen Parlament, Kommission und Mitgliedstaaten (Trilog) kommen sollte. Der erscheint jedoch unwahrscheinlich. Beobachter in Brüssel gingen davon aus, dass die Linie der Bundesregierung so etwas wie ein Angebot der Politik an die vom Diesel-Skandal geplagten Hersteller sein könnte – damit diese einer Hardware-Nachrüstung ihrer Fahrzeuge zustimmen.

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