„Der Fernverkehr hat keinen Vorrang“ Interview mit Bahn-Vorstand Ronald Pofalla

Von der Digitalisierung ihrer Strecken verspricht sich die Deutsche Bahn viele positive Effekte. Es sollen mehr Züge fahren – und die pünktlicher, kündigt ihr Vorstand Ronald Pofalla an. Mit ihm sprach Maximilian Plück.

 25.07.2018, Berlin: Ronald Pofalla, Vorstand Infrastruktur der Deutsche Bahn AG, spricht während der Halbjahres-Pressekonferenz. Foto: Soeren Stache/dpa | Verwendung weltweit

25.07.2018, Berlin: Ronald Pofalla, Vorstand Infrastruktur der Deutsche Bahn AG, spricht während der Halbjahres-Pressekonferenz. Foto: Soeren Stache/dpa | Verwendung weltweit

Foto: picture alliance/dpa

Herr Pofalla, die Politik will mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen. Wie wollen Sie das schaffen, wenn Ihnen Bürgerinitiativen beim Bau jeder neuen Trasse die Hölle heiß machen, Bauvorhaben erheblich verzögern oder gar verhindern?

Pofalla: Uns ist klar, dass niemand jubelt, wenn vor seinem Gartentor ein neues Gleis gebaut wird. Mit der Digitalen Schiene Deutschland liefern wir genau die Antwort. Das Programm macht Platz für Tausende zusätzlicher und klimafreundlicher Züge, ohne zusätzliche Gleise bauen zu müssen.

Pofalla: Wenn wir die „Digitale Schiene Deutschland“ ausrollen, fallen beispielsweise entlang der Strecken die über 67 000 Signale weg. Per Echtzeitortung kriegen wir die Züge viel dichter getaktet und damit ein besseres Bahnangebot für unsere Kunden. Das wäre ein Quantensprung für den gesamten Eisenbahnsektor.

Pofalla: Wir fahren zwischen Berlin und München Pünktlichkeitswerte von 90 Prozent ein. Wenn wir es schaffen, das gesamte Netz zu digitalisieren, wird das für einen erheblichen Pünktlichkeitsschub sorgen.

Pofalla: ETCS bringt zusätzliche Sicherheitspuffer.

Pofalla: Bis 2023 sollen rund 500 Kilometer in NRW ausgerüstet werden: der Rhein-Alpen-Korridor und auch wichtige Ausweichstrecken, wie von Krefeld/Köln über Viersen in die Niederlande. In Viersen und Stollberg werden Stellwerke mit neuster Technik gebaut. Mit dem Bund reden wir derzeit über weitere Strecken.

Pofalla: Der Bund arbeitet an einer Studie, um genau diese Frage zu klären. Wir sollten jetzt aber beherzt beginnen und keine Chancen verstreichen lassen.

Pofalla: 400.000 Kilometer Signalkabel, 40.000 Züge täglich, 2700 Stellwerke in Deutschland – das sind enorme Zahlen. Die neuen Digitalen Stellwerke sind ausgesprochen wichtig für den Erfolg des Projektes. Stellwerke mit Seilzügen sind nicht updatefähig. Die Digitalen Stellwerke jedoch sehr wohl.

Pofalla: Das ist kein Projekt von heute auf morgen, ganz klar. Deshalb müssen wir schon heute beginnen.

Pofalla: Wir rechnen mit bis zu 20 Prozent mehr Kapazität. Das wird jedoch regional variieren. Weil unser Bahnnetz billiger zu betreiben sein wird, können die Bundesländer zukünftig mehr Regionalverkehr bestellen als bisher. Also mehr S-Bahnen und Regionalzüge und weniger klimaschädliches CO2. Wir kriegen auch endlich die LKW von den Straßen, da der Schienengüterverkehr viel attraktiver wird. Der Zustand einzelner Autobahnen ist doch unzumutbar!

Pofalla: LKWs rollen ungestört über alle Landesgrenzen. Züge müssen aber Halt machen. Über 20 Zugsteuerungssysteme gibt es derzeit in Europa. Wenn wir als wichtigstes Transitland jetzt vorangehen, wird das für EU-Raum einen immensen Schub geben – davon bin ich überzeugt.

Pofalla: Deshalb brauchen wir ja einheitliche Standards. Da sind wir uns mit der EU-Kommission absolut einig.

Pofalla: Es stimmt: Wir können nicht mit der Situation zufrieden sein. Deshalb haben wir auch ein Maßnahmenpaket verabschiedet, um die Züge und das Netz zuverlässiger zu machen. Beim Bauen machen wir aber deutlich Fortschritte. Obwohl wir mehr Baustellen im Netz haben, konnten wir die Verspätungen hierdurch um zehn Prozent im vergangenen Jahr verringern.

Pofalla: Richtig, aber die neuen Zugsteuerungssysteme werden viel flexibler auf Krisensituationen reagieren können. Umleitungen, Signalstörungen und die Aufräumarbeiten kriegen wir zukünftig schneller in den Griff.

Pofalla: Künstliche Intelligenz wird Züge pünktlicher machen. Aktuell steuern wir den Zugverkehr praktisch mit Tausenden kleinen Waben in ganz Deutschland. KI wird uns helfen, viel besser das gesamte Netz im Auge zu behalten und die Steuerung von 40.000 Zügen am Tag zu optimieren.

Pofalla: Der Vorwurf ist nicht richtig. Wir disponieren alle Züge diskriminierungsfrei. Und: Die Digitale Schiene Deutschland ist für den gesamten Bahnsektor positiv, nicht nur für die DB allein. Davon profitieren alle auf der Schiene.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort