Wachstumsschmerzen in Europa Flugverkehr global im Daueraufschwung

Frankfurt/Main · Weltweit kennt der Luftverkehr seit Jahren nur den Steigflug. Auch für 2019 rechnen alle mit noch mehr Flügen, Fracht und Passagieren. Doch in Europa bremst mehr als nur die Unsicherheit um den Brexit.

 Ein Flugzeug startet vom Flughafen Frankfurt am Main vor Kondensstreifen am Himmel.

Ein Flugzeug startet vom Flughafen Frankfurt am Main vor Kondensstreifen am Himmel.

Foto: Frank Rumpenhorst/Symbolbild

Volle Flughäfen, streikende Lotsen und Piloten, massenhafte Verspätungen und Flugausfälle: Der Sommer 2018 war in Europa nichts für Passagiere mit schwachen Nerven.

Während die Luftverkehrsbranche auf dem alten Kontinent immer deutlicher an ihre Grenzen stößt, ist das Wachstum global gesehen ungebrochen. Vor allem die aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien sorgen dafür, dass immer mehr Menschen und Waren mit dem Flugzeug unterwegs sind. Die Grenzen der Entwicklung sind hingegen vor allem in Europa zu spüren.

Der Airline-Verband IATA blickt optimistischer auf 2019 als zuletzt. Grund ist nach der Steigerung der US-Produktion vor allem der stark gefallene Ölpreis, der für die Firmen einen gewissen Puffer bedeutet. Die Experten erwarten einen durchschnittlichen Kerosin-Preis von gut 81 Dollar je Fass - nach fast 88 Dollar im zu Ende gehenden Jahr.

Die IATA rechnet für 2019 global mit dem zehnten Nettogewinn-Jahr in Folge, wie Chefökonom Brian Pearce erklärt. Die Airlines dürften 35,5 Milliarden US-Dollar (etwa 31,3 Mrd Euro) Gewinn machen, 2018 sollten es 32,3 Milliarden Dollar sein.

Abgeschwächt wird der Trend des billigen Sprits durch Vorauskontrakte, mit denen sich Fluggesellschaften gegen stark steigende Preise absichern. In der Regel wird dieses "Hedging" eher von den großen Gesellschaften wie Lufthansa oder Ryanair betrieben, so dass nun die kleineren, finanzschwächeren Airlines einen Vorteil beim größten Kostenblock der Fliegerei haben. Pleiten wie die von Air Berlin oder der britischen Monarch hat es aber auch in den vergangenen Wachstumsjahren gegeben.

Die Nachfrage der Passagiere steigt 2019 laut IATA zwar nicht mehr ganz so schnell, sollte aber immer noch weltweit um stattliche 6 Prozent auf 4,6 Milliarden Fluggäste zulegen. Es ist vor allem die global wachsende Mittelschicht, für die Flugreisen ungeachtet aller negativen Klimafolgen eine erschwingliche Alternative darstellen. Deutsche-Bank-Analyst Eric Heymann sieht zudem transparentere Ticketpreise, leistungsfähigeres Fluggerät und den weiteren Ausbau der Infrastruktur als Gründe.

Anders sieht die Sache im reifen europäischen Markt aus. Engpässe an den Flughäfen und bei den Flugsicherungen trugen reichlich zum Chaos-Sommer bei, der mit bislang in dieser Häufigkeit nicht gekannten Verspätungen und Ausfällen negativ auffiel. "Das System hat seine Grenzen erreicht", stellt der europäische Airline-Verband A4E fest - und verlangt gebetsmühlenartig mehr politischen Druck für den eigentlich schon 2004 verabredeten einheitlichen europäischen Luftraum, den es jedoch auch 2019 nicht geben wird.

Auch vor der eigenen Haustür wollen einige Fluggesellschaften kehren: Nach dem Durcheinander von 2018 setzen sie alles daran, dass sie im neuen Jahr deutlich weniger Flüge streichen müssen - und dass auch die Zahl der Verspätungen zurückgeht. So versprechen die Lufthansa-Tochter Eurowings und der zum Reisekonzern Thomas Cook gehörende Ferienflieger Condor, mehr Ersatzflugzeuge bereitzuhalten.

Eurowings will zudem vermeiden, dass sich Probleme aus dem Ausland - etwa durch Streiks französischer Lotsen - erneut auf innerdeutsche Verbindungen übertragen. Geschäftsführer Oliver Wagner lässt daher einen Teil der Flotte nur noch innerhalb Deutschlands rotieren und will den anderen Teil ausschließlich auf Auslandsstrecken einsetzen.

Ursache der Änderungen sind nicht nur der Ärger der Passagiere und der entstandene Image-Schaden für die Airlines. Die Entschädigungen für die betroffenen Fluggäste schlugen bei einigen Anbietern teuer zu Buche, mehrere kleine Firmen wie Small Planet oder Azur Air stellten einen Insolvenzantrag. Die IATA schätzt, dass die Fluglinien für Entschädigungen europaweit rund zwei Milliarden US-Dollar (knapp 1,8 Mrd Euro) zahlen mussten.

Die Thomas-Cook-Airlines samt Condor treten bei ihrem zuletzt stark gewachsenen Flugangebot wieder auf die Bremse. "Wahrscheinlich nehmen wir die Flugkapazität in der Hauptsaison im Sommer 2019 um etwa 4 Prozent zurück", sagte Airline-Chef Christoph Debus kürzlich der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Der weltgrößte Reisekonzern Tui hält dagegen. "Wir bauen die Kapazität aus, wir wollen Marktanteile gewinnen", kündigte Tui-Chef Fritz Joussen an.

Der für den 29. März 2019 geplante Abschied der Briten aus der Europäischen Union könnte weitere Verwerfungen bringen. So droht bei einem ungeregelten Brexit weiterhin ein teilweiser Stillstand im Luftverkehr - auch wenn die Politik das natürlich vermeiden will. "Ohne Deal brauchen wir dringend einen Notfallplan. Aber selbst das wird wahrscheinlich kaum reichen, um kurzfristig Störungen zu vermeiden", warnt IATA-Regionalmanager Rafael Schvartzman.

Nicht nur Flüge von und nach Großbritannien könnten betroffen sein. Nach einem Brexit befänden sich auch die deutschen Ferienflieger Condor und Tuifly nicht mehr mehrheitlich in EU-Eigentum. Die Konzerne rüsten sich mit Notfallplänen, damit ihre Maschinen auch bei einem ungeregelten Brexit nicht am Boden bleiben müssen. Der irische Billigflieger Ryanair will die Stimmrechte von Nicht-EU-Aktionären begrenzen - um auf diese Weise seine Flugrechte zu sichern.

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