Europäische Zentralbank Erwartungen an EZB-Chefin Lagarde sind hoch

Brüssel · Ist Christine Lagarde, die designierte Chefin der Europäischen Zentralbank, eine Reformerin? Oder wird es mit ihr ein "Weiter so" geben? Vieles deutet darauf hin, dass letzteres der Fall ist - gerade mit Blick auf die Politik des billigen Geldes.

Allzu euphorisch fielen die Reaktionen nicht aus. „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit“, kommentierte Italiens Finanzminister Giovanni Tria die Nominierung Christine Lagardes zur künftigen Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), die die EU-Staats- und Regierungschefs in der Vorwoche vereinbart hatten. Sehr viel mehr mochten seine Euro-Finanzminister-Kollegen am Montag in Brüssel auch nicht sagen.

Inzwischen wird die Berufung der früheren Pariser Wirtschafts- und Finanzministerin, die derzeit den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington leitet, als gelungener Coup des französischen Präsident Emmanuel Macron eingeordnet. Lagarde gilt als „Taube“, die die Politik des billigen Geldes des scheidenden EZB-Chefs Mario Draghi wohl fortsetzen dürfte. Streit mit Berlin ist da offenbar vorprogrammiert. Während die Bundesregierung lieber auf jemanden wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gesetzt hätte, der das Überfluten der Märkte mit frischem Geld beenden würde, rechnen viele damit, dass Lagarde – vielleicht unter dem Einfluss Macrons – genau das Gegenteil tun wird.

Dabei klingen ihre bisherigen Äußerungen ganz so, wie es der Mehrheit der Euro-Gruppe gefallen müsste. Lagarde gilt als Anhängerin einer reformierten Wirtschafts- und Währungsunion mit einem eigenen Etat und am liebsten auch mit einem Eurogruppen-Chef, der zum Finanzminister aufgewertet würde. Beides waren zentrale Elemente der Vorschläge, die der französische Präsident präsentiert hatte. Zwar haben sich Paris und Berlin inzwischen zumindest bei der Frage eines eigenen Haushaltes für die Währungsunion angenähert.

Doch die Bundesregierung und weitere Staaten wie die Niederlande misstrauen den Versuchen, immer neues Geld unter immer neuen Titeln einzusammeln und dann zu verteilen. Das gilt für das Eurozonen-Budget ebenso wie für die Finanztransaktionssteuer oder die Vollendung der Bankenunion, die letztlich Euro-Bonds nach sich ziehen würde. „Jeder dieser Reformvorschläge führt im Kern dazu, dass man Geld einzieht, es vergemeinschaftet und dann umverteilt“, sagte am Montag ein hochrangiger deutscher EU-Diplomat gegenüber unserer Zeitung.

Tatsächlich sieht beispielsweise der deutsch-französische Gemeinschaftsvorschlag zur Finanztransaktionssteuer, den die beiden Finanzminister Olaf Scholz und Bruno Le Maire ausgearbeitet haben, vor, dass eine Steuer von 0,2 Prozent des Kaufpreises auf Aktiengeschäfte von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro erhoben werden soll – Einnahmen, die anschließend wieder verteilt werden. In dem Papier wird eine Ausschüttung an die Mitgliedstaaten je nach Größe und Wirtschaftskraft oder aber an den EU-Haushalt angeregt. Lagarde gilt als Befürworterin dieses Weges. Sie war es auch, die erst vor wenigen Wochen den Euro-Raum zum Handeln aufforderte, weil das Bankensystem in den Ländern mit Gemeinschaftswährung immer noch nicht krisenfest genug sei.

Der Vorstoß zielte darauf, endlich auch die letzten beiden Säulen der Bankenunion festzuzurren: Dazu gehören der Bankenrettungsfonds und die gemeinsame Einlagensicherung, die vor allem die Bundesregierung ablehnt, weil sie vor einer Haftung nach dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ sicherstellen will, dass jede Regierung die eigenen Probleme beseitigt hat. Befürchtet wird, dass Bankenrisiken weiter auf alle Schultern verteilt werden, ohne dass manche Länder sich noch Mühe gäben, diese zu senken. „So lange wir in einigen Mitgliedstaaten noch Quoten von faulen Krediten im zweistelligen Prozentbereich haben, brauchen wir über eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung gar nicht reden“, sagte der Sprecher der christdemokratischen Europa-Fraktion, Markus Ferber, am Montag unserer Zeitung. Lagarde solle sich im Übrigen mit politischen Einmischungen „mehr zurückhalten“ als ihr Vorgänger Mario Draghi und stattdessen „eine langfristige Zinswende“ bei der EZB einleiten.

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