Streit um den Deutschen Wetterdienst Ein trüber Tag für Meteorologen

Bonn · Dass der Deutsche Wetterdienst künftig kostenlose Wetterdaten herausgeben kann, könnte privaten Firmen die Existenz rauben. Kurios: Verfasser der neuen Regeln ist der staatliche Anbieter selbst.

 Private Anbieter von Wetterberichten finanzieren sich durch Entgelte oder über Werbung.

Private Anbieter von Wetterberichten finanzieren sich durch Entgelte oder über Werbung.

Foto: picture alliance / dpa

Der 10. März könnte für viele deutsche Meteorologen ein trüber Tag werden. Denn an diesem Tag soll der Bundesrat das neue Gesetz über den Deutschen Wetterdienst (DWD) beschließen. Wichtigster Inhalt: Der DWD kann dann künftig alle Wetterdaten unentgeltlich zur Verfügung stellen. Was für den Verbraucher sehr gut klingt, könnte für private Anbieter, die mit Wetterdienstleistungen wie Apps ihr Geld verdienen, existenzbedrohend sein. Der DWD dagegen ist überwiegend steuerfinanziert.

Das Vorhaben sei ein Verstoß gegen das Grundgesetz, findet der Düsseldorfer Wettbewerbsökonom und Ex-Vorsitzender der Monopolkommission Justus Haucap. Das neue Gesetz sei eine „steuerfinanzierte staatliche Monopolisierung des Marktes“, schreibt er in seinem Gutachten. Zudem ist er der Meinung, dass dadurch Arbeitsplätze verloren und Innovationen ausgebremst werden könnten.

Wenn in einem Rechtsstreit eine Partei das Gesetz neu schreibt

Die Gesetzesänderung ist die Krönung eines Streits zwischen DWD und privaten Anbietern von Wetterdaten, der schon länger schwelt. Um die Kritik zu verstehen, ist auch die Vorgeschichte wichtig: Bisher war laut Gesetz die eigentliche Aufgabe des staatlichen DWD, Warnungen von Wettergefahren herauszugeben. Allerdings kritisieren private Wetterdienste schon länger, dass der DWD ihrer Meinung nach der Öffentlichkeit zu viele andere Daten zur Verfügung stellt – ihnen also vermehrt Konkurrenz macht. Einer dieser Kritiker ist auch Joachim Klaßen. Er ist Diplommeteorologe und Geschäftsführer des Bonner Unternehmens Wetteronline. Er finanziert seine Angebote über Werbung und kostenpflichtige Angebote im Internet. Besonderen Anstoß findet er an einer App des DWD, gegen die er mit anderen Meteorologen auch bereits geklagt hat: „Die App ist nur der Höhepunkt. Aber auch die Website des DWD ist immer größer geworden“, ärgert er sich.

Bisher stand im DWD-Gesetz, dass der staatliche Anbieter für Dienstleistungen für die Öffentlichkeit, die über Katastrophenwarnungen hinaus gehen eine Vergütung verlangen muss. Seit 2015 bietet der DWD eine Warn-App an, die allerdings weit mehr Wetterdaten zur Verfügung stellt, so Klaßen: „Der DWD erklärt uns das damit, dass die Verbraucher diese Daten auch brauchen, um die Warnungen zu verstehen“, so Klaßen. Der Bonner Meteorologe ist sauer und hat sich über seine Anwaltskanzlei jetzt mit dem Verband Deutscher Wetterdienstleister (VDW) sogar an die EU-Kommission gewandt. Hintergrund ist die Einschätzung des Wettbewerbsökonomen Haucap: Das Gesetz sei „eine staatliche Subvention, die vorher in Brüssel hätte abgestimmt werden müssen.“ Klaßen sieht in diesem Vorgehen jetzt eine letzte Chance, das Gesetz doch noch zu stoppen.

Wetteronline gibt es seit 1996. Mittlerweile hat Klaßen über 80 Mitarbeiter. Die meisten Unternehmen im Verband Deutscher Wetterdienstleister seien allerdings kleinerer Betriebe mit drei bis fünf Mitarbeitern, erklärt Klaßen. Das sei das Problem: Die Lobby sei eher klein. Er wirft dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, das für den Gesetzentwurf verantwortlich ist vor, damit nur ihr Image verbesser zu wollen. „Das Ministerium wirbt natürlich damit, dass es etwas kostenlos gibt. Aber das ist Populismus. Kostenlos tanken würde von der Bevölkerung sicher auch gut angenommen.“ Und das ist in Klaßens Augen noch lange nicht alles: „Die App des DWD erinnert sehr stark an unsere. Wir sind damit allerdings schon länger am Markt.“ Klaßen befürchtet, dass mit diesem neuen Gesetz einfach nur die App, die gegen geltendes Recht verstößt, im Nachhinein legalisiert werden soll.

Aber der Ärger über die App und den Inhalt des Gesetzes ist nicht alles. Auch das Zustandekommen des Entwurfs lässt aufhorchen: Denn die Autorin, die den Gesetzestext verfasst hat, arbeitet nicht etwa, wie man annehmen könnte, beim zuständigen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Verfasst hat die Änderungen die Justiziarin des DWD: Gabriele Geisler. Ihr Name steht als Autorin in dem entsprechenden Word-Dokument, das das Ministerium an Wetter Online verschickt hat und das dem General-Anzeiger vorliegt. Aufgefallen sei das zunächst der Anwaltskanzlei, die für Wetter Online in dem Rechtsstreit um die App tätig ist, erzählt Klaßen. Ein unfaires Machtverhältnis, findet der Bonner Meteorologe, dass einer der beiden Parteien in einem Rechtsstreit währenddessen selbst das Gesetz umschreiben darf.

Das Bundesministerium selbst sieht es als selbstverständlich an, dass der DWD an dem Gesetz mitwirkt. Auf GA-Anfrage heißt es, der DWD sei „eine nachgeordnete Behörde“ des Ministeriums. „Der DWD gehört zu 100 Prozent dem Bund. Selbstverständlich hat das BMVI die Expertise des DWD bei der Novellierung des DWD-Gesetzes einbezogen.“ Allerdings verfolge der DWD „keine wirtschaftliche n Interessen“ und stehe damit „nicht in Konkurrenz zu privaten Wetterinformations-Anbietern“. Das sieht Klaßen ganz anders: „Uns entsteht durch das neue Gesetz ein sehr großes Risiko: Es gibt dann künftig jemanden am Markt, der ausreichend Mittel zur Verfügung hat, um jederzeit alles nachzumachen.“

Ministerium will mit dem neuen Gesetz Innovationen schaffen

Aus der Sicht von Bundesminister Alexander Dobrindt (CSU) sollen mit der Neuerung auch neue Innovationen entstehen. In einer Sitzung der Bundesregierung am 18. Januar erklärte er dazu: „Wir alle wissen, dass Daten der Rohstoff für zukünftige digitale Wertschöpfung sind. Dem dient dieses Gesetz.“ Durch den freien Zugang zu diesen Daten würden „neue Geschäftsmodelle, neue Ideen entstehen“, heißt es. Ziel sei es: „private Anbieter dadurch zu unterstützen, dass wir unsere Daten jetzt kostenlos zur Verfügung stellen. Das heißt, die Hürde für neue Anbieter, für neue Ideen wird gesenkt“, so Dobrindt.

Wetteronline hält das neue DWD-Gesetz für eine Mogelpackung. Es würden Daten für den Endverbraucher kostenlos zur Verfügung gestellt, nicht die Rohdaten, die sie als Dienstleister bräuchten. Kein Start-up der Welt können damit etwas anfangen. Wetteronline müsse als Dienstleister trotzdem weiter für die vollständigen benötigten Daten zahlen. Das werde klar, wenn man sich den Gesetzesentwurf im Detail ansehe.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort