Ausstellung in Berlin Die Deutschen und ihre Sparschweine

Berlin · Sparen gehört für die meisten Deutschen zu den nationalen Tugenden. Eine Ausstellung in Berlin blickt auf unterschiedliche Epochen.

 Sparbüchsen in Form von Artilleriegranaten werden in der Ausstellung im Deutschen Historischen Museum gezeigt.

Sparbüchsen in Form von Artilleriegranaten werden in der Ausstellung im Deutschen Historischen Museum gezeigt.

Foto: picture alliance / Britta Peders

Die Sparschweine in Deutschland können sich über Futtermangel nicht beklagen. Jeder zehnte Euro des verfügbaren Einkommens landet im Schlitz, auf dem Sparbuch oder bei einer anderen Geldanlage. Das Volk ist reich. Das Geldvermögen der Bundesbürger beträgt mehr als 5,7 Billionen Euro, eine Zahl mit 13 Stellen. Sparweltmeister sind die Deutschen dennoch nicht. In Ländern wie Schweden, Teilen Asiens oder Südeuropas legen die Menschen mehr beiseite. Und längst nicht alle verdienen genug, um davon noch etwas zurückzulegen. Einer Studie der Bank Ing Diba zufolge verfügen 27 Prozent der Haushalte über gar keine Rücklagen. In einzelnen Regionen sind es viel mehr. Thüringen hält hier mit 44 Prozent Nichtsparern die rote Laterne.

In kaum einem anderen Land aber begreifen die Menschen Sparen in ähnlicher Weise als nationale Tugend. Schon Kinder bekommen den Gedanken eingeimpft, dass es gut ist, für schlechte Zeiten oder größere Anschaffungen etwas beiseitezulegen. Es gibt eine lange Tradition und viel Werbung dafür. „Fünf Mark die Woche musst Du sparen, willst Du im eig'nen Wagen fahren“, hieß es beispielsweise auf Werbeplakaten der Nazi-Organisation „Kraft durch Freude“ für den ersten Volkswagen. Das Deutsche Historische Museum in Berlin zeigt noch bis zum August in einer Ausstellung zu dieser deutschen Tugend unter anderem eine Sparbüchse aus Metall, in die schon im 16. Jahrhundert Münzen wanderten.

Das positive Bild vom Sparen hängt auch mit damit verbundenen Wohltaten zusammen. So vergaben Franziskanermönche im 15. Jahrhundert zinsgünstige Darlehen an Arme. Das Geld dafür sammelten sie von Sparern ein. Die ersten vor 240 Jahren in Deutschland gegründeten Sparkassen verfolgten und verfolgen bis heute ein ähnliches Ziel. Das Ersparte der Kunden geben sie als Kredite an Privatleute oder Firmen weiter. Vom Zinsertrag bekommen die Sparer einen Teil, die Sparkasse den anderen. Mit den Gewinnen der Sparkassen finanzieren Kommunen wiederum gemeinnützige Aufgaben.

Aber es gibt auch Kehrseiten der Medaille. Denn die Aufforderung zur eigenen finanziellen Vorsorge haben die Mächtigen verschiedener Zeiten auch politisch missbraucht. Der Industrielle Friedrich Krupp ist ein Beispiel dafür. Der Stahlbaron aus dem Ruhrgebiet unterstützte seine Arbeiter beim Sparen. Ein Prozent Zusatzzins ließ er dafür springen und ein Anschlag in seiner Fabrik kündigte die Verlosung von 500 Mark unter allen Sparern an. Den Hintergedanken formulierte Krupp sehr deutlich. „Wer spart, macht keine Revolution“, sagte er einmal.

Die eigene Vorsorge für Krankheit und Alter waren lange ein treibendes Motiv für die Sparer. Erst mit der Rentenreform in Westdeutschland in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erübrigte sich diese Form der privaten Altersvorsorge, bis sie zu Beginn dieses Jahrhunderts wieder propagiert wurde. Im ostdeutschen Sozialismus war Vorsorgesparen ohnehin nicht angezeigt. Der Staat sorgte ja auf dem Papier für alles notwendige. Sparen diente in beiden deutschen Staaten vornehmlich der Erfüllung von Konsumwünschen.

Selbst die Enteignung ganzer Sparergenerationen konnten dem tugendhaften Bild der Sparsamkeit nichts anhaben. So finanzierten die Bürger des Deutschen Reichs mit Kriegsanleihen den Ersten Weltkrieg, der bekanntlich verloren ging. Um all die hohen Folgekosten des Kriegs zu bezahlen, druckte die Reichsbank immer mehr Geld. Daraus resultierte eine Hyperinflation, in der die Sparguthaben ihren Wert vollständig verloren.

Sparsamkeit ist in Deutschland aber auch Teil der Staatsräson geworden. Die schwarze Null, ein Bundeshaushalt ohne neue Schulden, ist Ausdruck dieser Verpflichtung für jeden Finanzminister. Im Ausland wird diese Knauserigkeit gar nicht gerne gesehen. Denn Staat, Privathaushalte und Unternehmen aus Deutschland könnten die Wirtschaft auch anderswo ankurbeln, wenn sie mehr investieren und konsumieren würden. Stattdessen häufen sie die derzeit sehr umstrittenen Exportüberschüsse an.

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