Wenn die Arbeitskraft verloren geht Das sollten Sie zu Berufsunfähigkeitsversicherungen wissen

Köln · Berufsunfähigkeitsversicherungen sollten möglichst früh abgeschlossen werden, raten Experten. Aber gerade Handwerker müssen hohe Tarife zahlen. Die wichtigsten Fragen im Überblick.

 Wer schwer körperlich arbeitet, kann seine Tätigkeit nicht immer bis zur Rente ausüben.

Wer schwer körperlich arbeitet, kann seine Tätigkeit nicht immer bis zur Rente ausüben.

Foto: dpa

Eigentlich sollte jeder, der nur mit seiner Arbeit sein Auskommen sichern muss, die Arbeitskraft absichern. Wer länger krank ist, hat starke Lohneinbußen. Und nach einer Faustformel kann jeder vierte Arbeitnehmer seinen Beruf nicht bis zur Rente ausüben. Doch Vorsorge ist gar nicht so einfach.

Wie hoch sind die Einbußen?

Nach der Lohnfortzahlung des Arbeitgebers gibt es bis zu 72 Wochen etwa Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung. Das erreicht maximal 90 Prozent des Nettoentgelts. Danach gibt es eine individuell berechnete Erwerbsminderungsrente. Sie erreicht rund die Hälfte des früheren Netto – falls der Arbeitnehmer gar nicht mehr arbeiten kann. Ist eine Tätigkeit von drei bis sechs Stunden am Tag möglich, gibt es die halbe Erwerbsminderungsrente. 2017 lag die Erwerbsminderungsrente im Schnitt bei 716 Euro monatlich.

Welche Risiken fürchten Arbeitnehmer?

Eine ungesunde Körperhaltung sehen 43,2 Prozent in einer repräsentativen Studie im Auftrag der Gothaer als größte Gefahr. 36,1 Prozent fürchten, dass Überforderung durch hohen Leistungsdruck dazu beiträgt, dass sie ihren Beruf aufgeben müssen. Das Tragen von schweren Lasten nennen 20,7 Prozent. Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparates sind heute seltener für eine Berufsunfähigkeit verantwortlich. Nervenkrankheiten und psychische Erkrankungen sind der wichtigste Grund für eine Berufsunfähigkeit.

Wie wird vorgesorgt?

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung hat nur rund ein Drittel er Arbeitnehmer. Etwa genauso viele setzen auf eine Unfallversicherung, jeweils rund 15 Prozent auf Erwerbsunfähigkeitsversicherungen und Krankentagegeldversicherung. Mehrfachnennungen waren möglich. Wahrscheinlich haben die, die ohnehin vorsorgen, gleich mehrere Policen. Und gerade die, die körperlich arbeiten, sind nicht ausreichend abgesichert.

Was leistet die Berufsunfähigkeitsversicherung?

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt, wenn der Beruf wegen Krankheit nicht mehr ausgeübt werden kann. Leistungen gibt es auch bei psychischen Erkrankungen. „Eine Berufsunfähigkeitsversicherung sollten Verbraucher möglichst früh abschließen“, rät Rita Reichard, Expertin für Versicherungen bei der Verbraucherzentrale-NRW. Junge Menschen müssten weniger bezahlen, und sie bekämen derartige Policen leichter, weil sie in der Regel weniger Vorerkrankungen hätten. Wer im Büro arbeitet, Ärzte, Rechtsanwälte sowie Steuerberater bekommen laut Reichard oft vergleichbar günstige Policen. Handwerker haben es schwer, eine Berufsunfähigkeitsversicherungen zu erhalten oder müssen vergleichsweise hohe Prämien bezahlen.

Was leistet die Erwerbsunfähigkeitsversicherung?

„Wer keine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen kann oder will, sollte sich um eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung bemühen“, rät Reichard. Sie ist billiger, bietet aber weniger Leistung. Die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt, wenn der Versicherte höchstens noch 50 Prozent seiner letzten beruflichen Tätigkeit ausüben kann, die Erwerbsunfähigkeitsversicherung, wenn er weniger als drei Stunden in irgendeinem Beruf arbeitet kann. Handwerker, die als Pförtner arbeiten können, würden leer ausgehen.

Was leistet die Grundfähigkeitsversicherung?

Wer beide Versicherungen nicht bekommt, kann eine Grundfähigkeitsversicherung ins Auge fasse, meint Reichard. Sie bietet weniger Leistungen, ist aber für Handwerker deutlich günstiger. Grundfähigkeiten wie Gehen, Hören, Sprechen oder eigenverantwortliches Handeln werden abgesichert. Es gibt mehrere Produkte. Die Gothaer etwa bündelt in einem Basisprodukt zehn Grundfähigkeiten und zahlt, wenn eine diese Fähigkeiten verloren geht. Bei anderen Policen müssen mehrere Fähigkeiten verloren gehen. Die Anbieter regeln unterschiedlich, wie lange die Fähigkeit nicht ausgeübt werden kann. Auch wie die Fähigkeit definiert ist, sollten sich Verbraucher ansehen, rät Reichard. Laut dem Portal Finanztip zahlt ein Versicherer erst, wenn bei Verlust der Fähigkeit, die Hände zu gebrauchen, der Versicherte weder mit der linken noch mit der rechten Hand eine Schere richtig benutzen kann. Andere zahlen, wenn der Versicherte mit einer seiner Hände den Schraubverschluss einer Flasche nicht mehr öffnen kann. Kunden müssen schauen, welche Fähigkeiten sie für den Beruf brauchen und dann Leistungen vergleichen.

Wie finde ich das richtige Produkt?

Nicht so einfach. „Jeder hat andere Bedürfnisse bei der Absicherung gegen Berufsunfähigkeit. Wir raten den Verbrauchern deshalb, sich individuell beraten zu lassen bei Versicherungsberatern oder bei der Verbraucherzentrale“, sagt Reichard. In Frage kommen auch noch eine Versicherung gegen schwere Krankheiten, die Dread-Disease-Police, oder eine Multi-Risk-Police, eine Mischung aus Dread-Disease- und Grundfähigkeitsversicherung. Die Wahl der Rentenhöhe,ist wichtig, um Versorgungslücken zu schließen. Berater helfen auch bei Anträgen. Fragen zur Gesundheit müssen beantwortet werden. Unterlaufen hier Fehler, kann der Versicherer im Ernstfall Zahlungen verweigern.

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