Zukunft von Toll Collect Bund treibt Lkw-Maut künftig selbst ein

Bonn/Berlin · Der Betrieb durch den Staat soll deutlich mehr Geld in die Kasse bringen. Für die Deutsche Telekom fällt der Kern eines Geschäftsfeldes weg.

 Wird dauerhaft von der öffentlichen Hand betrieben:Eine Messstelle zur Kontrolle der Lkw-Maut.

Wird dauerhaft von der öffentlichen Hand betrieben:Eine Messstelle zur Kontrolle der Lkw-Maut.

Foto: dpa

Der Bund wird die Lkw-Maut künftig in Eigenregie eintreiben. Das gab Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Dienstag bekannt. Das Verkaufsverfahren für die Betreibergesellschaft Toll Collect sei aufgehoben worden. Neue Wirtschaftlichkeitsberechnungen hätten einen deutlichen finanziellen Vorteil bei einem Eigenbetrieb ergeben. In den kommenden zwölf Jahren summiert sich dieses Plus in der Kasse auf 357 Millionen Euro. Eigentlich wollte der Bund das Unternehmen privatisieren.

„Wir sind mittlerweile erfahrene Mautbetreiber“ erläuterte Scheuer. Denn seit der bisherige Vertrag mit einem Mautkonsortium im vergangenen September ausgelaufen ist, hat der Bund bei Toll Collect schon das Sagen. Die geplante Privatisierung wurde von der Opposition heftig kritisiert. Die Grünen bewerten den Sinneswandel des Ministers nun als Sieg. „Der Druck aus der Opposition heraus hat Wirkung gezeigt“, stellte der haushaltspolitische Sprecher der Partei, Sven-Christian Kindler, fest. Die ganze Privatisierung habe sich als schwerer Fehler erwiesen.

Die Lkw-Maut bringt jährlich rund 7,2 Milliarden Euro ein. Die Gebühr wurde 2005 eingeführt. In dieser Zeit gab es etliche Konflikte zwischen dem Bund und der Betreibergesellschaft, die ein 13 Jahre dauerndes geheimes Schiedsverfahren um Schadenersatzforderungen des Staates nach sich zogen. Es endete im Mai 2018 mit einer Zahlung des Konsortiums von 3,2 Milliarden Euro an den Bund. Der Bund verzichtete am Ende auf einen Teil seiner Milliardenforderung.

Kein überraschender Schritt

Für die Deutsche Telekom ist der Schritt Scheuers unerfreulich: Denn dem Bonner Unternehmen gehörten 45 Prozent des Konsortiums Toll Collect. Daimler besaß weitere 45 Prozent, der Rest entfällt auf den französischen Autobahnbetreiber Cofiroute. Man sehe „der Neuausschreibung der Lkw-Maut in Deutschland optimistisch entgegen“, sagte noch im vergangenen September Telekom-Vorstandsmitglied Thomas Kremer in einem Telekom-Blog geschrieben.

Überraschend kam Scheuers Schritt nicht, nachdem vor einigen Monaten ein Gutachten des Bundesrechnungshofes die Privatisierungspläne kritisiert hatte. Die Prüfer bezweifelten, ob eine vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung geeignet gewesen sei, die Privatisierung von Toll Collect zu rechtfertigen. Die Kosten seien zu niedrig angesetzt worden. Die wirtschaftlichen Vorteile einer erneuten Privatisierung von Toll Collect seien zu hoch angenommen. Auch die Tatsache, dass bei einer Neuausschreibung wieder Schiedsgerichte bei Streitigkeiten eingesetzt werden sollten, stieß auf Missfallen.

Offiziell gab sich die Telekom, die zu 31,9 Prozent dem Bund gehört, am Dienstag schmallippig: „Wir als Deutsche Telekom haben früh erklärt, dass Mauterhebung ein wichtiger Bereich unserer IT-Strategie ist“, teilte ein Sprecher mit. Mit Toll4Europe habe die Telekom im Frühjahr 2017 ein Gemeinschaftsunternehmen für die Entwicklung und Erbringung von europäischen elektronischen Mautdiensten für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen gegründet. Eine europaweit einsetzbare Mautbox im Führerhaus der Lkw decke mit Belgien, Deutschland, Frankreich, Österreich und Polen wichtige Transitländer ab. Ein Jahr war in Belgien der Startschuss zur Einführung der Lkw-Maut gefallen. T-Systems hatte mit Strabag (25 Prozent) den Zuschlag erhalten. Das System laufe seither reibungslos. „Maut und T-Systems sind eine gute Kombination“, so der Sprecher.

Die technischen Dienstleistungen wie den Betrieb der Rechenzentren für Toll Collect erbringt T-Systems weiterhin. Das bleibt trotz der Verstaatlichung unverändert. Für T-Systems ist die Mauterbringung eines der Portfolios, in denen die Telekom-Tochter ihr Geschäft seit dem vergangenen Jahr organisiert hat.

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