Pilotversuch der Deutschen Post Briefe nur einmal in der Woche

Bonn · Die Deutsche Post will Kunden eine seltenere Zustellung schmackhaft machen. Die Gewerkschaft Verdi reagiert empört.

In Deutschland werden Briefe an jeden Werktag zugestellt, also an allen Tagen, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Darauf gibt es einen gesetzlichen Anspruch. Täglich werden so rund 64 Millionen Briefe zum Empfänger gebracht. Die Deutsche Post hat jetzt den Pilotversuch „Meine Zustellung“ gestartet, mit dem sie Verbrauchern eine seltenere Zustellung schmackhaft machen will. Dafür sollen Austräger Werbung machen. Die Post hat ihre Top-200-Zusteller ins Boot geholt. Sie wurden vor vor einigen Tagen ausführlich informiert und sollen jetzt die Verbraucher ansprechen.

Aus den Unterlagen, die die Post beim Treffen aushändigte, geht hervor, was die eigentliche Motivation der Post beim Pilotversuch ist: „Modernisierung der Universaldienstvorgaben (keine Änderung seit den 90er-Jahren)“. Das ist die rechtliche Grundlage, die die Post als marktbeherrschendes Unternehmen auf bestimmte Spielregeln verpflichtet. Durch die Post-Universaldienstleistungsverordnung wird die flächendeckende Grundversorgung mit „Postdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen“ genau beschrieben. Angesichts zurückgehender Briefmengen im Zeitalter der Email offenbar eine Verpflichtung, die zur Last wird.

Drei Modelle bietet die Post ihren Kunden im Pilotversuch an. Wenn sie einer Zustellung lediglich am Samstag zustimmen, sollen sie dafür eine „kostenlose Warenprobe“ bekommen. Eine zweite Variante sieht das Austragen der Briefe nur am Dienstag, Donnerstag und Samstag vor. Als dritte Möglichkeit soll die Zustellung der Briefe am Arbeitsplatz fünfmal die Woche angepriesen werden. Elektronische Kopien der E-Post, bei dem die Sendungen per Mail aufgegeben werden, sollen dabei weiter ankommen. Briefe mit Zusatzfunktion und Pressesendungen sind dabei ausgenommen.

Über den Pilotversuch sind Arbeitnehmervertreter aufgebracht: „Wir sind empört“, sagt die stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Andrea Kocsis, dem General-Anzeiger. Bereits der Pilotversuch verstoße ihrer Auffassung nach gegen die Post-Universaldienstleistungsverordnung. Der Absender, der den Brief aufgibt und bezahlt, habe den Rechtsanspruch, dass 80 Prozent der Briefe nach einem Tag zugestellt seien und 95 Prozent nach zwei Tagen.

Doch jetzt drehe die Post das System um. Der Empfänger werde als als Kunde betrachtet, der den Zustellrhythmus wählen könne. „Als Absender würde ich mir dann gut überlegen, ob ich das Briefnetz noch nutze, weil ich ja gar nicht weiß, wann mein Schreiben ankommt“, sagt Kocsis.“. Die Post könne nicht von sich aus die Zustellung ausdünnen. Deshalb sei das Vorgehen der Post für die Arbeitnehmervertreter „ein wirklich gravierender Eingriff“. „Weder die Betriebsräte noch die Gewerkschaft sind im Vorfeld informiert worden“, so Kocsis. Nach dem Postgesetz steht die Höhe des Portos und die Verpflichtung zum Universaldienst miteinander im Zusammenhang: „Weil die Post die flächendeckende Grundversorgung sicherstellt, darf sie überhaupt die Preise verlangen, die sie nimmt“, so Kocsis.

Warenprobe als Anreiz

„Wir wollen schauen, ob Kunden heute veränderte Bedürfnisse haben“, erläutert Post-Sprecherin Sarah Preuß. Es gehe um die Überprüfung der Marktakzeptanz neuer Zustellvarianten und ihre Erprobung. Die Frage sei auch, ob es Kunden begrüßen, wenn sie von bestimmten Briefen zunächst nur eine elektronische Kopie von bekämen und diese dann nur einmal in der Woche ausgeliefert würden.

Der Test sei auf drei Monate befristet. Danach bekämen die Kunden, die am Feldversuch teilnehmen, ihre Post wieder ganz normal. Im Anschluss werde die Post die Resonanz auswerten. Eine Übernahme in den Regelbetrieb ohne Änderungen sei nicht geplant. Die Bundesnetzagentur sei über das Pilotprojekt informiert. „Alle anderen Kunden werden natürlich weiterhin an sechs Tagen ihre Post bekommen“, so Preuß.

In den Papieren, mit denen die Post ihre Zusteller auf das Pilotprojekt eingestimmt hat, hat sie ihre Kundschaft in drei Gruppen eingeteilt: Digital natives und digital immigrants sieht sie elektronischen Neuerungen gegenüber als grundsätzlich aufgeschlossen an. Weitere zwölf Prozent der Verbraucher hat die Post dabei als „digitale Neandertaler“ eingestuft, die auch 2025 digitale Medien nur zwangsweise nutzen werden und physische Sendungen bevorzugen. Sie werden bei der Post so charakterisiert: „Seit ich nicht mehr gut laufen kann, nutze ich den mobilen Postservice direkt an meiner Haustür.“ Und: „Dafür, dass meine Briefe am nächsten Tag ankommen, zahle ich gerne einen kleine Aufpreis.“

„Bei uns brennt die Hütte.“

„Dieser Punkt macht mich besonders wütend“, sagt Kocsis. Jetzt werde der Rechtsanspruch auf werktägliche Zustellung als etwas dargestellt, für das der Kunde als Zusatzleistung zu bezahlen habe. Sie sieht das Vorgehen als Versuch, Argumente zu sammeln, um in der Politik für eine Rechtsänderung zu werben. Es bestehe der begründete Verdacht, dass die Post sich aus der werktäglichen Zustellung zurückziehen wolle. „Bei uns brennt die Hütte.“ Eine Änderung sei nicht im Interesse der Arbeitnehmer: „Durch eine Ausdünnung von Zustelltagen gehen Arbeitsplätze verloren“, erklärt Kocsis die Interessenlage der Gewerkschaft.

In einer ersten Phase hat das Unternehmen mit 18 Zustellern in der Region West zusammengearbeitet, die Haushalte angesprochen hätten. Jetzt seien bundesweit 110 Zusteller in den Pilotversuch eingebunden, so Preuß. In der ersten Phase des Projektes haben die 18 Zusteller laut Unterlagen 107 Haushalte zur Teilnehme gewinnen können.

79 Verbrauchern entschieden sich für die Zustellung drei Mal die Woche. Weitere 25 ließen sich auf die wöchentliche Zustellung ein. Sie bekommen laut Preuß eine Aufmerksamkeit: „Kunden, die die Briefzustellung samstags in Verbindung mit dem kostenlosen, täglichen E-Post-Scan-Angebot wählen, erhalten immer samstags zusätzlich entweder gratis eine Zeitschrift oder eine Warenprobe aus unserem Online-Marktplatz All you need.“

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